Etwas kitschig ist der Ramdankalender, den die Kollegin in einem deutschen Supermarkt entdeckt hat. Mit fliegendem Pferd und selig lächelnden Musliminnen und Muslimen. Auf der Hinterseite der 30 Törchen wird Wissen zum Islam abgefragt und dahinter verstecken sich Fruchtgummi-Monsteraugen, Kaugummis oder Schokolade.
Ab Montag können muslimische Kinder beginnen, die Törchen zu öffnen. In der Nacht auf Montag beginnt der diesjährige Ramadan.
Solche Ramadankalender gibt es seit einigen Jahren – im deutschsprachigen Raum. In islamisch geprägten Ländern sucht man sie vergebens. Erfunden hat sie eine deutsche Unternehmerin, inspiriert vom Adventskalender und dem Wunsch muslimischer Kinder, ebenfalls einen Monat lang jeden Tag ein Türchen öffnen zu dürfen.
Ein Zeichen des sozialen Aufstiegs
Dass Musliminnen und Muslime in Europa christliche Bräuche übernehmen, beobachtet Kulturwissenschaftlerin Hannan Salamat auch in anderen Fällen. «So heiraten muslimische Paare vermehrt in Moscheen, was in islamischen Ländern unüblich ist.» Und Eltern beschenken ihre Kinder an den grossen Festen wie dem Fastenbrechen oder dem Opferfest, inspiriert von Weihnachten.
Für die Religionswissenschaftlerin Hannan Salamat, am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog zuständig für den Islam, ist der Ramadankalender zudem ein Zeichen für den sozialen Aufstieg der Musliminnen und Muslime. «So einen Kalender muss man sich erst leisten können. Das zeigt, dass die Musliminnen und Muslime in der Mittelschicht angekommen sind.» Der Markt habe das erkannt – und so finden sich in Grossverteilern vermehrt Produkte extra für Musliminnen und Muslime.
Viel Ramsch – und deshalb nicht halal?
Ein Zeichen auch, dass sie mittlerweile wirklich als Teil der Gesellschaft akzeptiert sind? Nicht unbedingt, meint Salamat: «Problematisch wird es dann, wenn die Musliminnen und Muslime nur willkommen sind als Kundinnen und Kunden.» Wenn etwa ein Kaufhaus einen Ramadankalender oder halale Produkte anbiete, ihren Mitarbeiterinnen aber verbiete, Kopftuch zu tragen. «Das wäre dann an Zynismus nicht zu überbieten.»
Die Kulturwissenschaftlerin betont: Teilhabe in einer Gesellschaft gehe über halale Produkte im Supermarkt hinaus. Und apropos halal: Hier nimmt Hannan Salamat auch die Musliminnen und Muslime in die Pflicht. Gerade bei Produkten zu Ramadan gebe es viel Ramsch. «Für mich – und für viele andere, gerade junge Musliminnen und Muslime – heisst halal auch nachhaltig.»
Ein Ramadankalender, der in der Produktion der Umwelt schadet und Menschen ausnutzt, ist für Hannan Salamat nicht halal. Gerade der Fastenmonat Ramadan biete die Gelegenheit, sich mit Verzicht und Konsum auseinanderzusetzen.