«Mir ist es wichtig, dass ich als Mensch und als Muslimin positive Spuren hinterlasse», sagt Esra Doganay. «Ich schöpfe Kraft aus der Religion und aus dem Gedanken, dass das Leben einen Sinn hat und wir alle eine Aufgabe haben.» Esra Doganay ist Umweltingenieurin und engagiert sich bei der muslimischen Umweltorganisation Nour Energy.
Klimaschutz fern von der Lebenswelt
«Wir behandeln dieselben Themen wie andere Klimaschutzorganisationen, mit dem Islam on top», erklärt Esra Doganay. «Und wir erreichen damit Menschen, die andere Organisationen nicht erreichen.» Sie selbst habe sich etwa von Greenpeace nicht angesprochen gefühlt, weil ihr die religiöse Komponente fehlte.
Hinzu komme, dass viele Klimaschutzorganisationen weiss und mittelständisch geprägt seien, ergänzt Asmaa El Maaroufi, Juniorprofessorin für islamische Ethik an der Universität Münster. «Das habe ich selbst erlebt. Niemand sah aus wie ich», erzählt sie. «Und kaum jemand teilte meine Lebensrealität.»
Das zeigte sich etwa beim Thema Fliegen. «Das wurde pauschal verteufelt», erinnert sich Asmaa El Maaroufi. «Doch Menschen mit Migrationshintergrund wie ich müssen fliegen, wenn sie ihre Familie sehen wollen.»
Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann auch der grüne Islam nicht bieten. Sich gemeinsam mit Gleichgesinnten für den Klimaschutz zu engagieren, könne jedoch zusätzliche Motivation geben, sind Asmaa El Maaroufi und Esra Doganay überzeugt.
Fastenbrechen ohne Wegwerfgeschirr
Esra Doganay organisiert deshalb mit ihrer Organisation Nour Energy Workshops, um Musliminnen und Muslime in Deutschland, Österreich und der Schweiz für ein klimaschonendes Leben zu sensibilisieren. Zum Beispiel mit der Kampagne für einen «Green Iftar», ein klimafreundliches Fastenbrechen. «Das Fasten ist etwas sehr Spirituelles, ein Dienst an Gott. Und dieses Fasten verdient einen krönenden Abschluss», erklärt Esra Dogoanay.
Nur ist dieser krönende Abschluss meist wenig klimafreundlich. Denn nach dem Fastenmonat Ramadan feiern die Musliminnen und Muslime Eid al Fitr, das Zuckerfest. Dabei zelebrieren sie oft den Überfluss: Viel Essen, viel Fleisch, viel Plastikgeschirr – viel Abfall. Hier setzt Nour Energy an: «Wir zeigen auf, wie es auch anders geht. Etwa, indem jeder sein eigenes Geschirr mitbringt. Oder indem lokale, faire Produkte verwendet werden», erklärt Esra Doganay.
Das braucht Überzeugungsarbeit: «Meist empfinden die Organisatoren unsere Vorschläge als sehr umständlich.» Doch wenn sie aufzeige, dass auch schon kleine Schritte wertvoll seien, dann seien die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr offen.
Der «Öko-Dschihad» irritiert
Das nachhaltige Fastenbrechen ist nur ein Element des grünen Islams. Bemühungen um einen klimafreundlichen Hadsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, gehören ebenso dazu wie ein Zertifikat für nachhaltige Moscheen oder die grüne Predigt. Es gibt auch weltweite Initiativen für den sorgsamen Umgang mit Wasser oder Fatwas, Rechtssprüche, die zum Schutz der Umwelt aufrufen.
Zusammengefasst werden die Initiativen unter dem Namen «Öko-Dschihad». Eine Bezeichnung, die provoziert – und das mit Absicht. «Sie irritiert, weil wir mit dem Dschihad etwas maximal Negatives verbinden», sagt Asmaa El Maaroufi, Juniorprofessorin für islamische Ethik an der Universität Münster. «Wir denken an vermummte Terroristen, an den IS.»
Doch «Dschihad» habe im Islam eine weitere Bedeutung. «Dschihad als Kampf mit dem eigenen Ego – oder etwas platt ausgedrückt: der Kampf mit dem inneren Schweinehund.» Im Öko-Dschihad gehe es also um die Frage: Wie schaffe ich es, ein besserer Mensch zu werden, für Gott und die Umwelt?
Die Religion kann an positive Emotionen anknüpfen – und damit sehr motivierend wirken.
Dieser Umwelt – oder in der religiösen Sprache: der Schöpfung – Sorge zu tragen, sei ein zentrales Gebot im Islam, erklärt die Juniorprofessorin: «Jedes Wesen gilt als einzigartig, der Mensch, aber auch die Kakerlake.» Der Mensch habe eine Verantwortung gegenüber seinen Mitwesen.
Motivieren über die gemeinsamen Werte
Der Klimaschutz im Namen des Islams biete die Möglichkeit, über Werte zu sprechen, statt über Verzicht. «Die Diskussion über Klimaschutz ist geprägt von unserer Konsumgesellschaft», erklärt Asmaa El Maaroufi. «Die Religion kann hingegen an positive Emotionen anknüpfen – und damit sehr motivierend wirken.»
Doch was ist mit all jenen, die mit der Religion nichts anfangen können? «Für die gibt es andere Ansätze», betont Asmaa El Maaroufi. Der Kampf gegen den Klimawandel könne nur gelingen, wenn mit verschiedensten Ansätzen möglichst viele Menschen angesprochen werden. «Der Öko-Dschihad ist einer davon.»