Viele Musliminnen und Muslime wiederholen angesichts extremistischen Terrors den Satz: «Islam ist Frieden». Was das konkret bedeutet, zeigt Muhammad Sameer Murtaza in seinem Buch «Gewaltlosigkeit im Islam» faktenreich auf.
Keine Gewalt hat Tradition
Aus den Quellen des Koran zeichnet der Islam- und Politikwissenschaftler die islamische Tradition der Gewaltlosigkeit nach. Die beginnt mit dem Propheten selbst. Mohammed ermutigte seine frühe Gemeinde in Mekka, auf Verfolgung nicht mit Gegengewalt zu reagieren.
Wir wollen geduldig ertragen, was ihr uns an Leid zufügt.
Später in Medina erstellt der Prophet Muhammad Regeln für den einzig erlaubten Kriegsfall: der Selbstverteidigung oder Hilfe bei akuter Aggression. Eroberungskriege sind demnach unmuslimisch.
Dass die Realität in der Geschichte oft anders verlief, verschweigt Murtaza nicht. In einer von Gewalt geprägten Welt gewaltlos zu agieren, sei ja gerade das zivilisatorische Dilemma, in dem sich die Menschheit bis heute bewegt.
Der Koran plädiert für Fortschritt
Verblüffend aktuell nimmt der Koran da Regeln voraus, die die Weltgemeinschaft erst im 20. Jahrhundert festschrieb. Sie dienen dem Schutz der Zivilgesellschaft, von Frauen, Andersgläubigen, Kriegsgefangenen und sogar der Natur.
Schon im 7. Jahrhundert sollten Muslime keine verbrannte Erde hinterlassen. Die Zivilbevölkerung sollte nicht vom Krieg in Hunger fallen, sondern weiter Äcker bestellen und leben können.
Auch porträtiert Murtaza sieben muslimische Friedensaktivisten der Gegenwart. Dies sind aber keine Heiligenporträts. Die sieben Porträtierten finden jedoch Auswege aus dem Gewaltdilemma ihrer Heimaten in Saudi-Arabien, Indien, Pakistan, Afghanistan, dem Iran und Palästina. Leider spielen Frauen hier nur Nebenrollen.
Bildung als Weg zum Frieden
Für einen der porträtierten Aktivisten, den Paschtunen Khan Abdul Ghaffar Khan, ist die Bildung von Frauen aber ein Schlüssel für eine friedliche Gesellschaft.
Wehre das Böse mit Besserem ab, und schon wird der, zwischen dem und dir Feindschaft war, dir wie ein echter Freund werden.
Khan gründete mehrere Schulen. Das passte den britischen Kolonialherren ebenso wenig wie den traditionellen Paschtunen. Khan landete wie viele andere im Gefängnis.
Sich opfern für den Frieden
So mancher Satz aus dem Koran und dem Munde gläubiger Muslime unterscheidet sich kaum von Sätzen aus Bibel, Talmud oder Bergpredigt. Aber wer hat schon gewusst, dass es auf muslimischer Seite diese starke Tradition von Gewaltlosigkeit gibt?
Sie seien gewaltlos, «weil» sie Muslime sind, betont Murtaza, und nicht «obwohl». Für Frieden und Gewaltlosigkeit opferten viele Musliminnen und Muslime sogar ihr Leben. Gewaltlosigkeit brauche mehr Mut als Zurückschlagen, weiss Autor Murtaza.
Und wie alle Friedensbewegten glaubt auch der gläubige Muslim, dass nur Gewaltlosigkeit im wahrsten Wortsinn «entwaffnen» kann.