Wer bin ich? Wen begehre ich? Das sind Fragen, die im Jugendalter besonders aktuell sind. Und wer merkt, dass sie irgendwie anders begehrt, dass er irgendwie anders ist, als man gängigerweise zu sein hat, ist in der Milchjugend gut aufgehoben.
«Wir schaffen Räume, in denen die Selbstfindung und Selbstbehauptung der Jugendlichen gestärkt wird», sagt Max Kranich. Der 23-Jährige ist Student und Leiter der Geschäftsstelle der Milchjugend. Das Schaffen solcher Räume gelinge ganz gut, sagt er: «Wir sind eine glückliche, queere Gemeinschaft.»
Die Milchjugend zählt gut 150 Mitglieder. Sie organisiert regelmässig Veranstaltungen und gibt eine eigene Zeitschrift heraus. Die Organisation finanziert sich mit Mitgliederbeiträgen, Spenden und Beiträgen aus der öffentlichen Hand.
Stolz statt Scham
Will man den Geist der Milchjugend mit einem Satz auf den Punkt bringen, dann trifft es ihr Selbstbeschrieb am besten: «Wir haben es uns nicht ausgesucht. Wir hatten einfach Glück!»
Dieser Satz kehrt das um, was häufig mitschwingt, wenn Leute vermeintlich aufgeklärt betonen: Seine sexuelle Orientierung habe sich ja niemand ausgesucht.
Es schwingt mit, dass Leute, die nicht hetero sind, halt einfach Pech gehabt hätten. Damit wird das Anderssein zu einem bedauernswerten Makel, dem gegenüber sich eine Gesellschaft – gnädigerweise – tolerant verhalten soll.
Wunderbar queer
Gegen solch subtilere Arten der Homophobie hält die Milchjugend mit ihrem Slogan an: Von wegen bedauernswerter Makel und gnädige Toleranz, weil man Pech gehabt und nicht das Hetero-Los gezogen hat. Im Gegenteil: Wir hatten einfach Glück!
«Uns wird häufig vermittelt, dass wir nicht gut sind, so wie wir sind», sagt Nadia Kuhn. Die Gymnasiastin ist in der Milchjugend aktiv und schätzt die emanzipatorische Atmosphäre: «Hier erfahren die Jugendlichen, dass sie genau richtig sind. Und dass sie sich dafür nicht zu entschuldigen brauchen.»
Schimpfwort «schwul»
Glücklich und ohne Angst anders sein: Dafür setzt sich die Milchjugend ein. Auch heute ist das noch nicht selbstverständlich. «Schwul» gilt als Schimpfwort. Und viele Teenager, die gleichgeschlechtlich begehren, fühlen sich häufig alleine auf dieser Welt.
Wenn man der heterosexuellen Norm nicht entspreche, dann wirke dies zunächst erdrückend, bedauert Max Kranich. Das Akzeptieren der eigenen sexuellen Orientierung sei noch immer viel zu häufig ein schmerzhafter Prozess.
Gefährdung und Gewalt
Studien geben ihm Recht: LGBT*-Jugendliche haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Depressionen, Suchterkrankungen, Gewalterfahrungen und Mobbing.
Das Suizidrisiko ist für sie bis zu fünfmal höher als bei ihren heterosexuellen «Gspänli». «Diese Zahlen zeigen, dass unsere Gesellschaft noch immer ein Problem mit Homophobie hat», so Kranich.
Homophobie hat viele Facetten: von schrägen Blicken über Beleidigungen bis zu handfesten Angriffen. Eine Ablehnung irgendwo zwischen verbalem Blödsinn und roher Gewalt.
Ein realistischeres Bild von Liebe und Identität
Hier will die Milchjugend Abhilfe verschaffen. Einerseits bietet sie der queeren Jugend eine Heimat, andererseits leistet sie Aufklärungsarbeit, um ein realistisches Bild von Liebe zu vermitteln – zum Beispiel an Schulen.
Das weckt auch Ärger: Es gibt religiös-konservative Kreise, die dadurch in Gefahr sehen, was die Gesellschaft ihrer Ansicht nach zusammenhält. Die Ehe, die Familie, ja gar die Heterosexualität an sich sei bedroht.
«Manche werfen uns vor, wir würden die Jugendlichen zur Homosexualität verführen», so Nadia Kuhn, «das ist natürlich Quatsch.» Solche Vorwürfe würden implizieren, dass man für eine sexuelle Orientierung werben könne, was nicht stimme.
Denn: Auch sie habe es sich nicht ausgesucht. Sie hatte einfach Glück.