Unten testen Teenies Düfte, die für sie zu teuer sind. Oben im Restaurant, wo nach Teller statt Gewicht abgerechnet wird, wollen alte Damen mit Melonenschnitz-Türmen hoch hinaus. Dazwischen kauft man Dies und Das, Alltagsdinge ohne Dünkel.
Weniger Chic und Schickimicki als nebenan bei Jelmoli und Globus, weniger Marken, mehr für moderat Kauflustige und bodenständige Bummlerinnen: Das gibt es bei Manor an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Oder besser: gab's. Denn das ist bald Geschichte. Manor kann oder will die geforderte höhere Miete nicht bezahlen und gibt 2020 seinen Prestigeplatz an der Shoppingmeile auf.
Sinkende Umsätze
In seinem Kampf um Kundschaft und einen Platz im Stadtzentrum ist Manor nicht alleine: Seit Jahren sinken die Umsätze der Schweizer Warenhäuser.
Globus steht zum Verkauf. Die Jelmoli Holding macht mehr Geld mit Immobilien als im Detailhandel. Auch international schliessen Kaufhausfilialen und fusionieren Ketten.
Gerade glänzend sieht die Gegenwart nicht aus für das Warenhaus. Dabei war es ursprünglich einmal Inbegriff der schönen, neuen Konsumwelt.
«Historisch gesehen hat das Warenhaus den Einzelhandel revolutioniert – und im Grunde genommen die moderne Konsumkultur eingeführt», sagt Dirk Hohnsträter, Konsumforscher an der Universität Hildesheim.
Einkauf als Erlebnis
In Europa entstand und verbreitete sich das Warenhaus im 19. Jahrhundert. «Le Bon Marché» in Paris, 1852 eröffnet, galt als Prototyp des modernen Kaufhauses. 30 Jahre später eröffnete Jelmoli seinen ersten Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Man fand dort unter einem Dach Waren aus aller Welt, mit fixem Preisschild, konnte Dinge umtauschen und vor allem: Jede und jeder konnte sich dort, ohne Kaufzwang, einfach mal umgucken – ob Arbeiter oder Bürgerliche, ob Frau oder Mann. Einkaufen wurde also, ganz im Geist der Zeit, ein Stück weit demokratischer.
Vor allem aber wurde es zu einem emotionalen und ästhetischen Erlebnis. «Neu war die kathedralenartige Architektur der Warenhäuser, mit den imposanten Lichthöfen», sagt Dirk Hohnsträter.
Sie wurden, im wahrsten Sinne des Wortes, als Konsum-Tempel eingerichtet: Ein Ort, der bezaubern und zum Kauf bewegen sollte. «Mit dieser modernen Präsentationsweise trat der Konsum seinen Siegeszug erst richtig an», so Hohnsträter.
Konkurrenz Onlinehandel
Seither hat sich viel verändert. «In einem durchschnittlichen Kaufhaus in der Fussgängerzone einer Kleinstadt ist wenig vom Zauber der historischen Warenhäuser in Paris übrig.»
Trotzdem sind Kaufhäuser aus dem Bild europäischer Innenstädte kaum wegzudenken. Oder vielleicht doch? Das allgemeine Einkaufsverhalten entwickelt sich jedenfalls nicht zu ihren Gunsten.
Durch ihre Grösse machten Warenhäuser im Stadtzentrum einst kleinen Geschäften den Garaus. Bis sie selbst von Grösseren bedrängt wurden: Seit den 1960er-Jahren von Shopping Malls in der Agglomeration – und heute durch die grösste Bummelmeile aller Zeiten: das Internet.
Dass immer mehr Menschen online einkaufen oder beim Ausflug ins Ausland, ist denn auch der wichtigste Grund für die heutige Krise der Warenhäuser.
Früher goldig, heute glanzlos?
Aber: Haben sie nicht auch an Strahlkraft eingebüsst? Passen sie mit ihrem «Alles-unter-einem-Dach»-Konzept einfach nicht mehr in die Gegenwart, wo viele möglichst individuell und gut informiert einkaufen wollen?
Dirk Hohnsträter winkt ab. Vielmehr würden die Warenhäuser sich verändern und dem Zeitgeist anpassen. Der Trend ginge hin zum Einkaufserlebnis: «Dieses wird immer wichtiger gegenüber symbolischen Funktionen wie der sozialen Distinktion oder gegenüber dem puren Gebrauchswert der angebotenen Dinge.»
Wenn es also für jeden Zweck eine Palette an passenden Produkten gibt, entscheide man nicht nur pragmatisch – sondern schaue auch aufs Rundherum.
Alte Ideen neu belebt
Entsprechend lassen sich Schweizer Warenhäusern hier etwas einfallen: Loeb in Bern hat ein Kochstudio eröffnet, im Jelmoli gibt es bald eine Schönheitsklinik, bei Globus Personal Shopper.
Eine sehr interessante Entwicklung sei, dass «bestimmte Konsumformen der Vergangenheit nun als Premium-Produkt wiederbelebt werden», so Hohnsträter. Etwa massgeschneiderte Produkte oder kleine Pop-Up-Läden mit lokalem Sortiment.
Die Ästhetik des Warenhauses haben währenddessen längst andere übernommen, sagt Dirk Hohnsträter: «Wenn Sie sich zum Beispiel einen Apple Store angucken und den Raum, die Lichtregie in so einem Laden mit Fotos von historischen Warenhäusern vergleichen, dann können sie durchaus Parallelen erkennen.»
Ein Ass im Ärmel
Sogar im Onlinehandel ist davon etwas übriggeblieben. «Viele Funktionen, die historisch das Warenhaus hatte, tauchen heute dort wieder auf: So ist das Internet ja etwa auch ein sozialer Ort, an dem man sich austauscht über Produkte oder an dem man sich darstellt mit den erworbenen Waren.»
Auch auf Zalando oder Amazon geht’s am Ende mit dem Warenkorb zur Kasse. Was früher die Kaufhäuser boten – eine schier unendliche Palette an günstigen Produkten – findet man heute dort.
Trotzdem haben die Warenhäuser noch ein Ass im Ärmel: Das nach wie vor aktuelle Versprechen, dass Einkaufen ein emotionales, bezauberndes Erlebnis sein kann. Nur mit solidem Durchschnitt werden sie nicht weit kommen.