Künstliche Intelligenz ist in Kunst und Kultur angekommen. Mit Satiriker Patrick Karpiczenko schauen wir auf seine KI-Kunst – und das Liechtensteiner ESC-Video.
SRF: Ich habe mir das Video zur Liechtensteiner ESC-Teilnahme angesehen und werde die dort gehörten Songs wie «My Fürst Kiss» nie mehr aus dem Ohr bekommen. Wie kam es zu dem Projekt?
Patrick Karpiczenko: Das war eine Idee, die ich schon seit vier oder fünf Jahren mit mir herumtrage. Ursprünglich wollte ich ein Konzeptalbum mit fiktiven Liechtensteiner ESC-Songs machen. Aber erst mit den neuen KI-Modellen, die Musik machen können, ist das ohne zu grossen Aufwand möglich geworden.
Und ich nehme an, die Wahl fiel auf Liechtenstein, weil Liechtenstein einfach lustig ist?
Liechtenstein ist grundsätzlich lustig [lacht]. Das Land verhält sich zur Schweiz wie die Schweiz zu Deutschland. Wenn wir über Liechtenstein lachen, bekommen wir einen Freipass, auch über uns selbst zu lachen.
Generative künstliche Intelligenz wird mit riesigen Mengen von Daten gefüttert und lernt so, was statistisch am wahrscheinlichsten ist. Ist das kein Problem für Sie? Comedy und Satire leben doch vom Unerwarteten und nicht vom Mittelmass.
Comedy kann auch funktionieren, wenn man zwei mittelmässige Dinge kombiniert. Ich habe ChatGPT zum Beispiel einen DJ-Bobo-Song über Schinken schreiben lassen. Das hat super funktioniert, weil die KI ein mittelmässiges Verständnis von Schinken hat und ein mittelmässiges Verständnis von DJ-Bobo-Songs. Beides für sich allein genommen ist langweilig – wenn ich die KI aber anleite, daraus eine Melange zu machen, kommt etwas neues und originelles heraus. So ist das Mittelmass sogar förderlich.
Die KI hat eine surreale Traumlogik.
Ein anderes Beispiel sind lustige Lieder: Was die Musik angeht, sind die oft generisch – etwas, das KI sehr gut kann. Wenn ich als Autor dann einen Text liefere, der dem entgegensteht, dann entsteht daraus Humor. So gesehen kann die KI einem Satiriker viel mehr nützen als zum Beispiel jemandem, der ein ernsthaftes Projekt verfolgt.
Sie arbeiten jetzt schon lange mit künstlicher Intelligenz, vor allem mit generativer KI. Was haben Sie dabei gelernt?
Dass KI ein eigenes Ding ist. Ich werde da fast spirituell: KIs wie ChatGPT sind mit dem Inhalt des ganzen Internets gefüttert worden. Darum fühlt sich der Umgang mit ihnen für mich immer ein wenig an, als würde ich mit dem kollektiven gesellschaftlichen Unterbewusstsein reden. Die KI hat eine surreale Traumlogik – darum sollte man bei seinen Eingaben eher assoziativ vorgehen. Das ist wie Poesie: Jedes Wort ist wichtig und jedes Wort löst etwas anderes aus.
Haben Sie schon einmal versucht, etwas mit KI zu machen, das einfach nicht funktioniert hat?
Eine tiefe Erwartungshaltung ist das Rezept für Glück im Leben. Das heisst: Ich erwarte wenig von diesen Modellen – und wenn am Ende doch etwas fantastisches dabei herauskommt, bin ich immer positiv überrascht.
Das Video zur ESC-Teilnahme von Liechtenstein ist auf jeden Fall fantastisch geworden – denken Sie, manche Leute werden glauben, die Aufnahmen seien echt?
Würden wir nicht explizit darauf hinweisen, dass es fake ist, würden sehr viele darauf hereinfallen – sehr viele! Das hat damit zu tun, dass wir mit alten Ästhetiken spielen: Sobald unser Auge etwas sieht, das alt ist – ein grobkörniges Fernsehbild zum Beispiel – lesen wir das als echt. Deshalb haben wir auch bewusst ein Projekt gewählt, das mit vermeintlichem Archivmaterial spielt: weil es einfacher ist, etwas historisches zu faken als etwas aktuelles.
Das Gespräch führte Jürg Tschirren.