Die Schweizerin Carla Maurer ist in den letzten Jahren zu einer Art England-Versteherin geworden. Sie ist reformierte Pfarrerin der «Swiss Church London», einer Kirche mitten in London, die in der Tradition der Schweizer Reformation steht.
Als Carla Maurer ins Amt eingeführt wurde, musste sie auch viel Zivilrecht lernen. Denn in Grossbritannien ist die Ehe nicht nur ein weltlich Ding. Die kirchliche Trauung wird als zivilrechtliche Trauung anerkannt. Die Pfarrerin ist also zugleich auch Standesbeamtin.
Ein Brautpaar kann also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, findet Carla Maurer. Kirchen seien oft flexibler als eine Behörde und böten schönere Räumlichkeiten als ein Standesamt – das gefalle vielen Paaren. «Man geht in eine prunkvolle Kirche oder in ein schönes Gebäude, und wenn man den grossartigen Ort verlässt, ist man verheiratet.»
Erst Trauung, dann Änderung im Personenregister
Die zivilrechtliche Relevanz macht die kirchliche Trauung zu einem bürokratischen Akt: Wenn Carla Maurer das Paar zu einer Hochzeit anmeldet, dann muss das Standesamt dies genehmigen. Bei der Trauung muss Carla Maurer ein paar Worte sprechen, die bei einer rein religiösen Hochzeit nicht nötig wären. Und sie muss ein Dokument ausfüllen, mit dem das Standesamt das Personenregister ändert.
Auch wenn die meisten Paare sich für die Doppelpack-Lösung entscheiden – rechtlich gezwungen sind sie dazu nicht. Es komme auch vor, dass Paare erst auf dem Standesamt heiraten und später die kirchliche Hochzeit nachholen, berichtet Carla Maurer.
Ein afroamerikanischer Bischof predigt
Kirche und Staat sind in England nicht getrennt, das zeigt sich besonders an festlichen Anlässen wie der royalen Hochzeit. Der oberste Geistliche der «Church of England», der Erzbischof von Canterbury, hat Meghan Markle bereits vor einigen Wochen getauft und konfirmiert. Er wird auch das adlige Paar trauen.
Ebenfalls einen grossen Auftritt hat Michael Bruce Curry, das Oberhaupt der Episkopalkirche der USA. Der afroamerikanische Bischof aus Chicago wird in der St.-Georges-Kapelle in Windsor die Predigt halten. Der Dekan von Windsor, David Conner, wird den Gottesdienst leiten.
Die Queen ist «Defender of the faith»
Auch wenn der Erzbischof von Canterbury eine exponierte Rolle innerhalb der Anglikanischen Gemeinschaft hat – Oberhaupt der «Church of England» ist die Queen persönlich. Sie hat sogar den Titel «Defender of the faith», sie muss also den Glauben verteidigen.
Die meiste kirchliche Arbeit hat die Queen an ihre theologischen Berater, an den Erzbischof von Canterbury und an die Premierministerin delegiert. Formell läuft aber viel Kirchenpolitik über den Schreibtisch der Queen.
Bischofsernennungen werden etwa zwischen Buckingham-Palast und Downing Street abgestimmt; bei der Bischofsweihe wird ein Brief der Queen vorgelesen. Manche britische Geistliche sind Teil des Oberhauses im Parlament. Änderungen im Kirchenrecht wiederum müssen auch vom Unterhaus genehmigt werden.
Den Hochzeitstermin haben sich die Royals abgeschaut
Die royale Hochzeit wird Carla Maurer nicht in voller Länge verfolgen können. Sie wird am selben Tag ein Paar in der «Swiss Church London» trauen: den Journalisten Peter Stäuber aus St. Gallen und die Engländerin Sheena Sumaria, die in der Filmbranche arbeitet.
Die beiden leben schon länger in London. Sie finden es witzig, am selben Tag wie Harry und Meghan zu heiraten – zumal sie eher republikanisch als royalistisch sind. Die Royals hätten ihnen den Hochzeitstermin abgeschaut, scherzt Peter Stäuber: «Unser Termin stand schon länger fest.»