Die Forderungen von Graeme Maxton in seinem Buch «Change! Warum wir eine radikale Wende brauchen» sind grell und radikal: Der Liter Benzin oder Diesel soll 100 Franken kosten. Die Chefs der umweltverschmutzenden Industriezweige sollen vor ein internationales Gericht gestellt werden. Jeder Mensch auf der Welt darf nur noch 1000 Kilometer pro Jahr fliegen.
Wer will schon solche Vorschläge hören?
Ja, Maxtons Buch ist alarmistisch. Man schüttelt beim Lesen immer wieder den Kopf und denkt: «Unmöglich, zu krass, das lässt sich politisch nie durchsetzen». Maxton wirkt wie ein wandelnder Zeigefinger: ein Mahner, der die Party stört.
Wir erkennen die Gefahr nicht
«Wir haben es mit der grössten Herausforderung in der Geschichte der Menschheit zu tun», schreibt Maxton. Das Problem: Die Klimaveränderung erfolge so langsam, dass wir sie als normal empfinden.
Wir erkennen die Gefahr nicht, freuen uns am milden Herbstwetter. Und dann das: Selbst wenn wir morgen alle Verbrennungsmotoren stoppen würden, stiege die Temperatur doch weiter. Das ist schwer zu verstehen.
Die Geissel der Profiteure
Ökonomen, die dem freien Welthandel abgeschworen haben, sind rar. Maxton ist einer von ihnen. Er schreibt seit Jahren gegen unreguliertes Wirtschaftswachstum an. Heute brauche es mehr Steuern und Verbote.
Er geisselt die Wirtschaftskapitäne: Erdölkonzerne, Zementhersteller, Kohleproduzenten, Fluggesellschaften und Automobilhersteller würden «der Erde wissentlich und nur für den kurzfristigen Profit einiger Investoren irreparabeln Schaden zufügen». Das müsse ein Ende haben.
Das Problem der Prognosen
Maxton, bis Ende April 2018 Generalsekretär des «Club of Rome», nennt das Jahr 2040 als Wendepunkt. Bis dann müsse die Welt ganz aus der fossilen Energie ausgestiegen sein.
Prognosen mit Jahreszahlen sind heikel, das weiss der «Club of Rome» aus eigener Erfahrung.
In dem Bestseller von 1972 «Die Grenzen des Wachstums» fanden sich einige zu düstere Prognosen: etwa jene, dass die weltweiten Erdölvorräte im Jahr 1990 erschöpft sein würden.
Da das Erdöl auch Jahrzehnte später noch sprudelt, lässt sich das Buch heute leicht diskreditieren.
Technologie ist keine Lösung
Wie «Die Grenzen des Wachstums» vertraut auch «Change» nicht auf Fortschritt und Erfindergeist.
Im Gegenteil: «Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass es technologische Lösungen für die Probleme der Menschheit gibt», schreibt Maxton.
Laut ihm hätten viele Menschen einen «geradezu rührenden Glauben an die Macht der Technologie».
Aber was?
«Change! – Warum wir eine radikale Wende brauchen» ist kein Mutmacherbuch. Die Vorstellung, dass wir uns alle massiv einschränken müssen, hat keinen Swing. Dass wir nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben dürfen? Logisch, aber ...
Doch das «Aber» will einem nicht einfallen. Denn wer will schon als kurzsichtiger Egoist dastehen, der den Weltuntergang mitverursacht?
Maxton selbst macht sich keine Illusionen. Gegen Ende des Buches schreibt er: «Mir ist vollauf bewusst, dass meine Vorschläge und Warnungen höchstwahrscheinlich auf taube Ohren stossen werden.»
Na Bravo, wozu dann die ganze Aufregung?
Es stellt sich aber auch die Frage: Dürfen wir dem Überbringer von schlechten Nachrichten gleich auch noch einen Plan zur Lösung abverlangen?
Es ist kein Vergnügen, dieses Buch zu lesen. Aber was, wenn Maxton Recht hat?