Dass König «Willy» die Vergangenheit seiner Familie vom späten 16. Jahrhundert bis in die postkoloniale Zeit untersuchen lassen will, juckt hinter den Deichen wenige. Aus Studien ist bekannt, dass seine Vorfahren wahrscheinlich versklavte Menschen besessen haben; und dass seine Familie – immerhin eine der reichsten in Europa – auch von den immensen Geldströmen aus den Kolonien profitiert haben dürfte.
Details sollen nun die von Willem-Alexander beauftragten Historiker sowie ein Menschenrechtsspezialist aufdecken. «Fundierte Kenntnisse der Vergangenheit sind unerlässlich, um historische Fakten zu verstehen und ihren Auswirkungen auf Menschen und Gemeinschaften so klar und ehrlich wie möglich zu begegnen», schrieb der Monarch, der selber Geschichte studiert hat, in einer Mitteilung.
Kritik an Urgrossmutter
Mindestens drei Jahre wird es dauern, bis Ergebnisse vorliegen. Spekulieren ist deshalb müssig. Aber Willem-Alexander hat sich früher sehr kritisch über seine Urgrossmutter, die damalige Königin Wilhelmina, geäussert. Daran lesen viele ab, dass er bereit ist, das Nest seiner Familie zu beschmutzen.
Es ist aber auch möglich, dass der Monarch alles richtig machen möchte, nachdem er wegen unüberlegten Handlungen wie dem Griechenlandtrip zu Lockdown-Zeiten ins Fettnäpfchen getreten ist. So oder so passt sein Auftrag perfekt zum Zeitgeist in den Niederlanden.
Dort wird seit langem kontrovers bis verbissen über die koloniale Vergangenheit debattiert. Der Ruf nach einer Entschuldigung wird lauter. Amsterdam, Rotterdam und andere Städte haben dies schon getan. Aber das Kabinett von Premier Mark Rutte tat sich schwer damit.
Überrumpelte Betroffene
Die Wende kam erst vor wenigen Tagen. Am 19. Dezember werde in den Niederlanden und in den ehemaligen Kolonien eine Entschuldigung für das Leid in der Kolonialzeit ausgesprochen, kündigte die Regierung vor wenigen Tagen an.
Damit hatte sie die Menschen in den ehemaligen Überseebesitztümern völlig überrumpelt. Dieses Datum komme überraschend und sei abgesehen davon unpassend, monierten die Betroffenen vor allem in Surinam und auf den Antilleninseln.
Die Nachfahren der Ex-Kolonien gedenken jährlich am 1. Juli der Abschaffung der Sklaverei. Im nächsten Jahr werden es genau 160 Jahre her sein, seit die Niederlande dieses unrühmliche Kapitel beendet haben. Deshalb möchten Menschen in den Ex-Kolonien, dass die Entschuldigung an diesem Tag ausgesprochen wird.
Der König soll ran
Das Datum ist das eine. Das andere ist die Person, die diese Entschuldigung überbringen muss. Insbesondere auf den Antilleninseln will die Bevölkerung die Entschuldigung nicht aus dem Mund eines Ministers hören, sondern von Willem-Alexander höchstpersönlich.
Dieser Forderung wird die Regierung nicht folgen. Es sei staatsrechtlich nicht möglich, so Rutte. Ein niederländischer König darf sich politisch nicht äussern, denn er hat nur eine zeremonielle Funktion.
Ob sich Willem-Alexander, wenn der Rapport über seine Vorfahren vorliegt, entschuldigen darf oder gar muss, gilt es abzuwarten. Mit seinem Vorgehen könnte der Monarch so oder so wegweisend sein in Europa. Wenn man bedenkt, dass der belgische König dem Kongo bloss sein «tiefes Bedauern» ausgedrückt hat und auch die Royal Family in Grossbritannien zu keinem Kniefall bereit zu sein scheint.