«Maria 1.0 expandiert in die Schweiz», titelte jüngst das Portal kath.ch. Anlass war ein Workshop in St. Gallen, zu dem etwa 45 überwiegend junge Menschen kamen.
Moment – Maria 1.0? Die heissen doch 2.0! Diese Reformbewegung aus Deutschland protestierte laut gegen Klerikalismus, Machtmissbrauch und Ungerechtigkeiten in der römisch-katholischen Kirche. Sie machte auf sich aufmerksam. Sie war und ist medial präsent.
«Maria braucht kein Update»
Genau diese lauten Proteste fanden einige junge, gläubige Katholikinnen falsch. «Wie können wir die Heilige Messe bestreiken, die Höhepunkt unserer Woche und Quelle der Kraft für uns ist?», fragt Lisa Martin. Sie ist 19 Jahre alt, studiert Biologie in Basel.
Und so war Maria 1.0 die Antwort auf Maria 2.0. «Maria braucht kein Update», lautet der Slogan der Bewegung. «Das bedeutet: Maria ist auf besondere und perfekte Weise unser Vorbild», sagt Lisa Martin. «Sie verkörpert alle Tugenden, nach denen wir streben: Geduld, Gottesvertrauen, Glaube und Hoffnung.» Zudem sei die Kirche keine menschliche Institution, die wie ein Verein verändert werden könne, sondern «von Christus selbst gestiftet».
Frieden dank katholischer Glaubenslehre
Lisa Martin fand erst in der römisch-katholischen Kirche, dann bei Maria 1.0 eine Heimat. Die konservative Bewegung spricht ihr aus dem Herzen, erzählt sie: «Als ich mich fragte, was es heisst, als junge Katholikin Frau zu sein, habe ich Maria 1.0 gefunden.»
Die junge Studentin möchte nicht gegen, sondern für etwas sein. Denn in der traditionellen Glaubenslehre ihrer Kirche sieht sie «einen wunderschönen Schatz». Seitdem sie sich dieser Lehre zuwandte, habe sie einen «unvergleichlichen Frieden» gefunden.
Was zeichnet die Frauenrolle aus?
Die Rolle der Frau wird bei Maria 1.0 als besonders mütterlich angesehen, sie soll liebevoll und fürsorglich sein. Das stösst Feministinnen auf – haben sie doch teilweise jahrzehntelang genau gegen solche Bilder gekämpft, erzählt Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF).
«Wir stellen uns klar gegen ein patriarchal geprägtes Menschen- und Frauenbild», sagt die 60-jährige Aktivistin, die sich seit Jahrzehnten für eine gerechtere Gesellschaft und Kirche engagiert.
Eine «zukunftsfähige Kirche» müsse Frauen dieselben Rechte einräumen wie Männern, ist sie überzeugt. Und somit auch das Priesteramt für alle öffnen.
«Der Missbrauchsskandal schreit zum Himmel»
Vertreterinnen von Maria 1.0 hingegen sagen: Gleiche Würde ja, doch mit unterschiedlichen Aufgaben. Eine Frau sei nicht dazu berufen, Priesterin zu werden, da Jesus sich mit zwölf Jüngern umgab.
Maria sei beim letzten Abendmahl nicht dabei gewesen, obwohl sie für Jesus eine zentral wichtige Frau gewesen sei, sagt Lisa Martin. Ihr ist es jedoch wichtig zu betonen, dass nicht nur Frauen zum «liebevollen Dienst» berufen seien, sondern ebenso Männer, auch Priester.
Angesprochen auf den Missbrauchsskandal, der Auslöser für Maria 2.0 war, sagt sie: «Der Missbrauch in der Kirche schmerzt mich wie sonst nichts! Es schreit zum Himmel, in dem Punkt sind wir bei Maria 2.0». Der Unterschied ist aber, dass die junge konservative Bewegung die Gründe für den Skandal nicht in den Strukturen sieht.
Wie bedeutend wird Maria 1.0 in der Schweiz?
Simone Curau-Aepli vom SKF versteht das Bedürfnis junger Menschen, sich mit einer charismatischen Bewegung zu identifizieren. Sie bedauert es aber, dass diese «die notwendige Wandlung der Kirche behindern». Dass die Bewegung eine grosse Rolle in der Schweiz spielen wird, glaubt sie nicht.
Lisa Martin sieht das anders. Derzeit arbeiten zwar erst fünf Schweizerinnen aktiv mit, doch sie stünden in der Schweiz ja auch erst am Anfang. Und jede von ihnen kenne «eine ganze Reihe an Sympathisantinnen». Sie beobachtet «ein Aufblühen des katholischen Glaubens in der neuen Generation.»