Die brutalen Bilder aus dem Ukraine-Krieg sind derzeit in allen Medien. Viele zeigen tote Zivilisten, zum Teil sieht man auch die Gesichter der Toten. Da stellt sich die Frage: Soll man solche Fotos zeigen, oder sind sie nur voyeuristisch? Für den deutschen Kriegsfotografen Daniel Etter ist der Fall klar.
SRF: Viele Aufnahmen, die uns aus der Ukraine erreichen, sind fürchterlich, zuletzt etwa die Aufnahmen der Toten von Butscha. Sollen diese Bilder überhaupt gezeigt werden?
Daniel Etter: Es braucht sie, weil sie klarmachen, was in der Ukraine passiert. Solche Fotos sind sehr emotional, sie wirken sofort. Darin liegt ihre Kraft. Sie schaffen eine Verbindung zum Ort des Geschehens, den Texte nicht erzeugen können. Deshalb bin ich der Meinung, dass sie gezeigt werden sollen.
Bei mir lösen Kriegsbilder einen zwiespältigen Effekt aus. Ich bin entsetzt, aber ein Stück weit auch fasziniert. Wie gehe ich mit diesen Impulsen um?
Natürlich übt Gewalt eine gewisse Faszination aus. Aber die meisten Menschen sind vernünftig genug, um solche Fotos einordnen zu können. Diese Bilder zeigen vor allem eins: Was in Butscha passiert ist, ist ein Massaker, auf das wir reagieren müssen. Dafür sind die Fotos der Beweis.
Diese Ereignisse lassen sich nicht mehr ausradieren.
Die Aufnahmen beweisen aber auch, dass unabhängige Journalisten vor Ort sind, um die Geschehnisse zu dokumentieren und Desinformation entgegenzutreten. Das alles ist wirklich passiert. Diese Ereignisse lassen sich nicht mehr ausradieren.
Sie waren als Kriegsfotograf unter anderem in Syrien und in Afghanistan und haben viel Gewalt gesehen. Immer wieder hört man den Vorwurf, solche Bilder wirkten mit der Zeit abstumpfend. Wie erleben Sie das?
Keine Bilder zu zeigen, weil die Leute abstumpfen könnten, sollte nie ein Argument sein. Wenn solche fürchterlichen Sachen passieren, sollte man auch darüber berichten. Natürlich sollte man die Aufnahmen gleichzeitig einordnen und Hintergrundinformationen dazu liefern.
Klar ist aber auch, dass sich die Welt weiterdreht – auch die der Nachrichten. Die Leute können und möchten sich irgendwann nicht mehr mit dem Krieg beschäftigen, sondern wenden sich anderen Themen zu.
Die Menschen vor Ort möchten, dass die Welt von diesen Ereignissen erfährt.
Jedes Fotos eines Getöteten zeigt einen Menschen mit einer Geschichte. Teils sind sogar Gesichter zu sehen. Wo bleibt da die Würde der Opfer?
Die meisten Menschen, die ihre Familienangehörigen verloren haben, wollen, dass diese Bilder gezeigt werden. Sie möchten, dass die Geschichte der Verstorbenen erzählt wird. Nicht die Bilder sind das Entwürdigende. Der Skandal ist, was sie zeigen. Das, was passiert ist. Das Bild macht es nicht schlimmer – es macht es deutlich.
Die Menschen vor Ort möchten, dass die Welt von diesen Ereignissen erfährt. Deshalb halte ich es im Moment für richtig, solche Bilder zu veröffentlichen.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.