Über Jahrzehnte war es relativ einfach: Die Volkshochschulen haben ihre Kursangebote geplant und veröffentlicht. Das Publikum hat interessiert an den Kursen teilgenommen. Und am Ende waren alle zufrieden.
Doch so ist es seit geraumer Zeit nicht mehr. Es kriselt in der Erwachsenenbildungs-Branche. Die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen. Plötzlich war es nicht mehr möglich, persönlich an bestimmten Angeboten teilzunehmen. Digitale Angebote wurde von vielen Menschen offenbar nicht als gleichwertiger Ersatz angesehen.
Game-Changer Corona
Der Besuch eines Volkshochschulkurses sei eben auch ein sozialer Akt, erklärt Katrin Kraus, die an der Universität Zürich den Lehrstuhl für Berufs- und Weiterbildung innehat. Dennoch glaubt die Bildungsexpertin, dass digitale Angebote auch in Zukunft eine Rolle spielen. Man müsste die Angebote entsprechend weiterentwickeln.
Das Teilnahmeverhalten der Bevölkerung habe sich verändert. «Man hat mitbekommen, dass vieles auch digital geht. Um vor Ort zu gehen, braucht man einen guten Grund. Damit müssen sich die Anbieter beschäftigen», sagt Kraus.
Rückgang von zehn Prozent
Die Pandemie ist Geschichte, doch das verlorene Publikum kommt nicht in gleicher Zahl zurück. Die Volkshochschulen hätten während der Pandemie ungefähr ein Drittel ihres Publikums verloren, schätzt Pius Knüsel, Präsident des Verbands der Schweizer Volkshochschulen. Noch immer melden sich etwa zehn Prozent weniger Menschen für die Kurse an.
Woran liegt's? Katrin Kraus und Pius Knüsel machen mehrere Gründe aus. Da ist etwa das nachlassende Interesse an Sprachkursen, sagt Knüsel. Wer heute verreist, muss sich nicht mehr mühsam Grundkenntnisse in diversen Sprachen aneignen. Mit Englisch wird man fast überall verstanden.
Infotainment bevorzugt
Dazu kommt die Zeitknappheit: Wer sich für einen Kurs an der Volkshochschule anmeldet, möchte sich nicht unbedingt verpflichten, die nächsten sechs Monate jede Woche einmal an einem Kurs teilzunehmen. Die meisten Menschen haben eng durchgetaktete Tage.
Es sind gegenwärtig vor allem Seniorinnen und Senioren, die diese Bildungsprogramme nutzen. Aber auch die haben oft eine volle Agenda. Hier müssen die Anbieter flexibler werden.
Zudem soll Lernen in der Freizeit heutzutage Spass machen. In einem Raum sitzen und Vorträge anhören oder Vokabeln aufsagen, ist nicht mehr attraktiv. Was gut läuft, sind Exkursionen zu Kulturveranstaltungen, in Werkstätten und Betriebe. Veranstaltungen, bei denen man etwas erlebt, etwas lernt und auch ein bisschen Spass hat.
Persönlichkeiten statt Arbeitsmaschinen
Menschen, die Kurse an Volkshochschulen und bei ähnlichen Anbietern buchen, geht es nicht unbedingt um das Erlernen berufsrelevanter Kenntnisse. Sondern eher um Inhalte, die einen persönlich weiterbringen. Also um eine Art von Lernen, das humanistischen Idealen nähersteht als ökonomischen Überlegungen: Lernen als Selbstzweck und als Möglichkeit, das eigene Weltverständnis zu schärfen.
Pius Knüsel sagt: «Die Erwachsenenbildung ist vor 100 Jahren aus der Idee der kulturellen Allgemeinbildung heraus entstanden. Die Menschen sollten als Persönlichkeiten und Bürgerinnen und Bürger angesprochen und nicht einfach zu besseren Arbeitsinstrumenten erzogen werden.»
Klar ist: Auf diesem Gebiet können die Volkshochschulen und ähnliche Anbieter heute noch deutlich punkten.