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Der Döner blickt auf eine lange und fluide Geschichte
Aus 100 Sekunden Wissen vom 05.07.2024. Bild: Getty Images / Adam Berry
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Kulturkampf um Fast-Food Döner gegen Döner: Geht es dem Kebab bald an den Kragen?

Der heiss-geliebte «Döner» soll zum geschützten Begriff werden – auf türkischen Vorstoss hin. Dagegen regt sich Widerstand. Jetzt stellt sich die Frage: Wer hat’s erfunden? Und wer darf bestimmen?

Nehmen sie von allem? Scharfe Sosse? Im Döner-Restaurant werden Wünsche wahr. Vielleicht ist der Döner Kebab auch darum in vielen europäischen Ländern unter den Fast-Food-Top-3. Döner gibt es inzwischen in hunderten Variationen – darunter auch mit Trüffel, Poulet oder als «Gemüsedöner».

Doch geht es nach der «Internationalen Döner-Föderation» in Istanbul, ist damit bald Schluss. Sie hat im April bei der EU einen Antrag gestellt, den Begriff Döner zu schützen. Als Vorbild gilt der Mozzarella, der in ganz Europa geschützt ist als sogenannte «Garantiert traditionelle Spezialität». Will man ein Produkt «Mozzarella» nennen, muss dieses nach einem genau festgelegten Verfahren hergestellt werden.

Ein Mann in weissem Overall und Kopfhaube hebt Fleischmasse auf einen Metallspiess.
Legende: Für die Dönerproduktion, wie hier in Berlin-Wedding, könnte es bald ein strengeres Zutaten-Reglement geben. KEYSTONE / AP Photo / Franka Bruns

So solle es nun auch beim Döner sein. Fertig mit der kulinarischen Wünscherei. Der geschützte Döner soll beispielsweise nur noch mit Lamm- oder Rindfleisch gefüllt werden.

Die Fleischscheiben müssen zwischen 0,2 bis 0,5 Zentimeter dick sein und die Würzung soll grammgenau geregelt sein. Das Dönermesser muss aus speziellem Edelstahl sein und der Döner ei-, pendel- oder kegelförmig zugeschnitten werden.

Deutschland ist empört

Der Vorstoss hat vor allem in Deutschland zu einem Aufschrei geführt. Dies sei ein Generalangriff auf das Lieblingsgericht der Deutschen. Ein Angriff gar auf die kulturelle Identität des Landes. Das schreibt Eberhard Seidel, der Autor des Buches «Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte».

Wie er weiter ausführt, war der Döner schon zu seinen Anfängen ein Kind vieler Völker. So schreibt man die ersten Döner einigen Köchen aus dem osmanischen Reich zu. In diesem lebten unter anderem Griechen, Araber und Türken zusammen und schauten einander in die Kochtöpfe.

Der moderne Döner aber, so Seidel weiter, sei von türkischen Gastarbeitern in Berlin in den 1970er-Jahren erfunden worden. Die vielen türkischen Einwanderer passten das traditionelle Essen aus der Heimat einfach an die deutsche Lebensrealität an. Da viele Deutsche über Mittag schnell und im Stehen essen wollten, wurde die Brottasche erfunden und die Zutaten wurden dem deutschen Gaumen angepasst.

Schwarzweissfoto: Ein Mann in weissem Hemd setzt ein Messer an einen Dönerspiess.
Legende: Von West-Berlin in die weite Welt: Was einst seine Kinderstube war, nennt sich heute selbstbewusst «Hauptstadt des Döners». Getty Images / Ullstein Bild / Kontributor

Tatsächlich trat der Döner seinen internationalen Siegeszug dann von Berlin aus an. Noch heute beliefern deutsche Döner-Produzenten die halbe Welt mit Dönerfleisch und haben dafür ausgeklügelte Produktions-Systeme und eigene Qualitäts-Standards entwickelt.

Nach Angaben des «Vereins türkischer Dönerhersteller in Europa», mit Sitz in Berlin, werden aktuell europaweit etwa 400 Tonnen Döner pro Tag produzieren. Allein in Deutschland erziele die Döner-Branche jährlich ungefähr 2,4 Milliarden Euro Umsatz, in ganz Europa sind es etwa 3,5 Milliarden Euro.

Eine Frau in pfirsichfarbenem Blayer schneidet Fleisch von einem Dönerspiess. Ein Mann in weissem Shirt assistiert ihr.
Legende: Lieblingsgericht der Deutschen: Die damalige Kanzlerin Angela Merkel liess sich gern mit Döner ablichten. Wie hier, 2012 in – ganz klar – Berlin. imago images / Eventpress

Eberhard Seidel sieht im Vorstoss aus Istanbul eher ein nationalistisches als ein wirtschaftliches Motiv. So war der Gründer der Istanbuler Döner-Föderation, die den Schutzantrag eingegeben hat, auch Mitglied der als extrem nationalistisch eingestuften türkischen Partei BBP.

Wer steckt hinter der Istanbuler Döner-Förderation?

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Die Büyük Birlik Partisi, kurz BBP, gilt als rechtsextreme, islamistische und nationalistische Partei. Die BBP betrachtet den Islam als Hauptelement der türkischen Identität, sie ist gegen einen EU-Beitritt der Türkei und bringt Europa mit kultureller Dekadenz in Verbindung. Obwohl die BBP-Führung Rassismus offiziell ablehnt, wirken viele Schriften und die Rhetorik ihrer Politiker rassistisch und nationalistisch.

Der Gründer der BBP, Muhsin Yazıcıoğlu, hatte sich schon in den 1970er-Jahren der Bewegung der Grauen Wölfe angeschlossen. Die Grauen Wölfe sind eine Sammelbewegung türkischer Ultranationalisten und Rechtsextremisten. In einigen Ländern Europas ist die Bewegung verboten. Der bekannte Wolfsgruss leitet sich aus dem Gründungsmythos der Vereinigung ab.

Nun heisst es: Döner gegen Döner. Denn der Verein türkischer Dönerhersteller in Europa hat Veto eingelegt gegen die Forderung der internationalen Döner-Föderation aus Istanbul. Entscheiden über das Schicksal des Döners und vor allem hunderttausender Döneranbieter muss nun die EU-Kommission.

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Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 5.7.2024, 6:54 Uhr.

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