Dicht bauen ist in Singapur eine Notwendigkeit: Sechs Millionen Menschen leben hier auf der Fläche des Kantons Glarus.
«Man muss Modelle entwickeln, wie man die kritischen Konsequenzen der Dichte – Umweltprobleme oder fehlende Lebensqualität etwa – vermeiden kann», sagt der Schweizer Architekturprofessor Sacha Menz. Er ist gemeinsam mit Thomas Schroepfer Forschungsleiter am Future Cities Laboratory, das die ETH Zürich im Singapore-ETH Centre betreibt.
Hochhäuser mit Grün
Sacha Menz und sein Team fokussieren auf die für Singapur typischen Wohnüberbauungen mit mehreren 1000 Bewohnern, die sich durch üppige Begrünung auszeichnen: die sogenannten «Dense and Green Buildings».
Ein Beispiel für «Dense and Green Buildings» ist die Überbauung Skyville@Dawson, 2015 erbaut vom Singapurer Architekturbüro WOHA.
In Skyville leben 3000 Menschen – soviel wie in einer kleinen Schweizer Gemeinde. Damit Nachbarschaft entstehen kann, schufen die Architekten ein überschaubares Mass, indem sie jeweils 80 Wohneinheiten zu einem «Dorf» zusammenfassten.
Die «Dorfbewohner» teilen sich Grünräume, die als Begegnungs- und Freizeitzonen dienen. Der erste Grünraum liegt auf dem achten Stock: Er ist Zufluchtsort für einheimische Vogelarten geworden und trägt so zur Artenvielfalt der Stadtfauna bei.
Joggen im 47. Stock
Der oberste Grünraum, die Dachterrasse im 47. Stock, bietet eine 400 Meter lange Joggingstrecke an. Die Grünräume sind so gestaltet, dass natürliche Ventilation entsteht, die das Gebäude kühlt. Ein Teil der Wohnungen kommt daher im heissen Klima Singapurs ohne Klimaanlagen aus.
Die Architekten wollten hohe Dichte mit Lebensqualität, Gemeinschaftlichkeit und Nachhaltigkeit verbinden. Und das in einem Komplex, der nicht etwa zur Luxusklasse gehört: Skyville@Dawson ist ein Projekt des öffentlichen Wohnungsbaus.
Öffentliche Terrassen
Bemerkenswert ist auch, dass die begrünten Terrassen in diesem Komplex öffentlich sind, zugänglich für Jedermann. Denn dies ist in Singapur vorgeschrieben: Wo Boden überbaut wird, muss Grünfläche für die Öffentlichkeit ersetzt werden.
Gebäude wie Skyville@Dawson sind zukunftsweisend, das zeigen die Untersuchungen der ETH. Einerseits kommen sie dem menschlichen Bedürfnis nach Natur und Gemeinschaft entgegen. Andererseits reinigt die Bepflanzung die Luft und beugt der Erhitzung des Gebäudes vor.
Erbaut sind sie für die subtropische Klimazone, wo das Grün üppig wuchert und die Menschen eine andere Bebauungsdichte gewohnt sind als in der Schweiz.
Die Schweiz lernt von Singapur
Dennoch ist sich Sacha Menz sicher, dass die ETH-Forschung in Singapur auch der Schweiz zugute kommt. «Strategien, die in Singapur entwickelt werden, haben auch eine Relevanz für andere Teile der Welt.»
Sicherlich könne das Modell der «Dense and Green Buildings» nicht eins zu eins übernommen werden, doch die Bevölkerung wachse auch in der Schweiz. «Ausserdem zeigt der Hitzesommer 2018, welche Herausforderungen auf uns zukommen. Wir können von Singapur lernen, wie wir in Zukunft Gebäude planen und bauen werden.»