Bereits früh morgens im Bad ist Judith Wernli im Interessenskonflikt: «Eines meiner Shampoos ist leider in Plastik verpackt.» Doch bei Kosmetikartikeln wolle sie ihre bewährten Produkte beibehalten, ob mit oder ohne Plastik. Die unverpackten Zahnpasta-Tabletten zum Zerkauen habe sie zwar ausprobiert, aber so ganz geheuer war ihr dies nicht. Deshalb wird auch hier weiterhin auf die Plastiktube gesetzt.
Komplett ohne Plastik durch den Alltag – gar nicht so einfach wie gedacht. Die SRF-3-Moderatorin ist Teil des Kernteams des sogenannten «Plastikexperiment» Baden. Einen Monat soll die Stadt mobilisiert werden, auf Plastik zu verzichten. Reduktion durch Sensibilisierung, so das Ziel.
Wernli selbst hat bereits vor dem Start des Plastikexperimentes angefangen, ihren Konsum nachhaltiger und plastikfreier zu gestalten. Nachfüllbare Kaffeekapseln, Wasser aus der Leitung statt aus der PET-Flasche trinken – alles bereits seit längerem einverleibt.
Auch Waschmittel oder Seife ist bei ihr zu Hause in wieder auffüllbaren Behältern verpackt. Hier auf Plastik zu verzichten sei «mega einfach, man muss sich halt drauf achten», kommentiert Wernli bei einem Rundgang bei ihr zuhause.
Glas ist nicht immer die bessere Alternative
Plastikverzicht hält sie jedoch nicht in jedem Fall für sinnvoll. «Wenn man Joghurt in Einweggläsern kauft, um Plastik zu vermeiden, ist die Ökobilanz schlechter», so Wernli.
Denn die Produktion für Glas sei deutlich aufwendiger. Erst bei mehrmaligem Gebrauch spreche die Ökobilanz für Glasbehälter. Gleiches gelte für die Stofftasche anstelle des Plastiksäckchens.
Guilty pleasure Kosmetik
Bei der Kosmetik ist Judith Wernli noch nicht so konsequent. Ein Blick in ihre Küchenschränke und den Kühlschrank hingegen zeigt: Sehr vieles ist bereits auf plastikfrei umgestellt – die selbstgemachten Joghurt, das Mehl, Gewürze oder Nudeln, alles in immer wieder verwendbaren Behältern. Zwei leere Glasbehälter packt die 46-Jährige gemeinsam mit ihrer Wasserflasche in den Rucksack, bevor sie ihr Haus in Richtung Arbeit verlässt.
Dementsprechend klimpert es, als Wernli Stunden später aus dem Radiostudio tritt und ihr Mittagessen aus dem Rucksack fischt. Hier ein Stoffsäckchen mit Früchten, da ein Säckchen mit der Lunchbox. «Plastikverzicht ist eine Sache der Organisation», kommentiert Wernli lachend, während sie den Rucksack zurechtrückt.
An diesem Tag wird aus Zeitgründen am Arbeitsplatz gegessen. «Normalerweise esse ich in der Cafeteria, da ist Plastik kein Thema», sagt Wernli und schüttet die mitgebrachte Salatsauce aus einem alten Konfiglas über ihr Mittagessen.
Unverpackt gleich gut?
Unter ihren Kollegen sei sie als die Öko-Tante bekannt, empfindet sich selbst aber gar nicht so. «Auch ich nehme mir ab und zu ein Maltesers-Pack aus dem Automat, wenn ich einen Hungerrast habe.» Auf solche Kurzkäufe verzichte sie jedoch mindestens während des Plastikexperiments.
Gemüse aber kaufe sie schon länger bei einem offenen Kühlschrank vom Bauernhof im Quartier. Sonstige Lebensmittel holt sie, oft bei einem Laden, der bewusst auf Verpackung verzichtet. Gesagt und nach der Arbeit auch getan.
Auch sie sündigt
Im Unverpacktladen wird einem bewusst, wie 100 Prozent plastikfrei aussieht. Die Zahnseide ist in einem Glasbehälterchen aufgerollt, das Wattestäbchen besteht aus einem Bambus-Stäbchen und die Wegwerf-Wattepads sind durch kleine, wiederverwendbare Baumwollpads ersetzt.
Aber ausgerechnet an diesem Ort des gewissenhaften Konsums plagen Wernli Gewissensbisse: «Hier sündige ich sehr regelmässig», sagt sie beschämt und greift mit der Zange in ein Glas voller getrockneter Mangos – zwar unverpackt, aber wohl nicht von lokalen Bäumen gepflückt.