Ich hänge es nicht an die grosse Glocke. Das kleine Schwarze. Mein Nokia 6 irgendwas, das an guten Tagen aussieht, als hätte man ein iPhone 7 zu heiss gewaschen.
Ja, ich bin glücklicher Besitzer keines Smartphones. Ich hatte nie eines. Und ich werde nie eines haben.
Fragezeichen zum Mittagessen
Wie geht das denn, fragen mich smarte Smartphone-Besitzer auf dem Kinderspielplatz und aufmerksame Arbeitskollegen in der Kantine. Es ist, als hätte ich eine geheimnisvolle Krankheit.
Gut und gesund lebt es sich ohne Smartphone, antworte ich für gewöhnlich. Und wenn nicht, liegt’s ganz gewiss nicht an meinem Handy, das nicht viel mehr kann als telefonieren und Kurznachrichten verschicken.
Der Verdacht
Aber zugegeben: Das Leben mit einem Dumbphone hat seine Tücken. Kürzlich stand ich in einer Schweizer Stadt am Bahnhof und suchte vermutlich den Marktplatz. Ich fragte einen älteren Herrn nach dem Weg.
Keine Antwort, dafür böse Blicke. Der Mann starrte mich an, als wäre ich der Päderast aus «The Big Lebowski», der Kult-Komödie der Coen-Brüder. Nicht selber wissen, wo’s langgeht? Das ist das letzte Tabu unserer Tage.
Bitte wo?
Mein Google-Maps für unterwegs: Eingeborene nach dem Weg fragen, wenn ich irgendwo hinmuss. Spätestens, wenn die Karte, die ich mir am Vorabend am Computer aufgezeichnet habe, wieder zu ungenau geraten ist.
In Wien wurde es einmal richtig eng. Ich hatte einen Interview-Termin mit dem amerikanischen Filmregisseur Richard Linklater und wurde von einem österreichischen Öko-Aktivisten in die falsche Richtung geschickt. Er muss sein Fairphone verkehrt herum in der Hand gehalten haben.
Linklater höchstselbst war dann so freundlich, unser Gespräch mit seinem, ha, Smartphone mitzuschneiden. Weil mein Aufnahmegerät, ohne das ich selten aus dem Haus gehe, gerade den Dienst verweigerte.
Die Nachteile der Vorzüge
Ich weiss also um die Vorzüge von Smartphones. Sie sind so unfassbar praktisch. Man kann so unglaublich unbürokratisch noch rasch dies oder das erledigen. Und immer meinen, es auch tun zu müssen.
Rechnungen begleichen auf dem Riesenrad. Ferienflüge buchen nach Ouagadougou. In der Freizeit unbezahlt Überstunden machen. Oder im Internetz nachschauen, wann endlich das nächste Buch von Karl Ove Knausgård erscheint.
Bei dem dünnen Norweger mit den dicken Romanen habe ich mir einst die Stelle rot angestrichen: «Mit ein bisschen Gepäck muss man durchs Leben gehen.» Ein gutes Bild, erst recht im übertragenen Sinne. Es muss nicht immer alles praktisch sein.
Wer kein Smartphone besitzt, entscheidet sich für die Möglichkeit des Umwegs. Für den Charme des Ungefähren. Für das Zulassen des Zufälligen. Für Zeitverschwendung. Und vor allem für das verloren gegangene Lebensgefühl, auch mal verloren gehen zu können.
Die Verwandlung
Ich pendle, also bin ich im Zug oft allein unter Leuten, die zwar noch ein Buch oder eine Zeitung aufschlagen, sich aber dann in Windeseile in halbwilde Wischwesen verwandeln.
Sie nehmen zwar nur ihr Smartphone in die Hand. Aber eigentlich hat das Smartphone sie in der Hand.
Das ginge mir genau so, fürchte ich. Gerade deshalb lasse ich die Finger davon.
Und jetzt noch zum verrücktesten Feature meines kleinen schwarzen Nichtsnutzes. So ein Dumbphone geht sogar dann nicht kaputt, wenn es auf den Boden knallt. Wir werden also noch eine Weile durchhalten.
Huch, es klingelt!