Sie bezeichnet sich als «Pflegehexe». Auf Fotos trägt sie eine rötliche Perücke mit langen Locken und einem kleinem Hexenhut.
Was wie eine Fasnachtsverkleidung wirkt, ist die Kunstfigur einer Aktivistin, die als Pflegefachfrau in einem grösseren Spital auf der Chirurgie arbeitet. Sie will anonym bleiben.
Die Figur der Hexe hat sie bewusst gewählt. Es sei eines der stärksten Frauenbilder. Und an einem veralteten Frauenbild kranke der Beruf der Pflegefachperson: Es ist jenes der barmherzigen Schwester, die sich aufopferungsvoll kümmert.
Heute nütze dieses Rollenbild nichts mehr, sagt Madame Malevizia. «Dieses ‹Nett-Sein› wird uns gerne aufs Butterbrot geschmiert, sobald es darum geht, Forderungen zur Verbesserung der Situation in der Pflege zu stellen.»
Eine Diskussion ohne Betroffene
Seit 2016 mischt sich die Pflegehexe unter dem Pseudonym «Madame Malevizia» in die gesundheitspolitische Debatte ein. In ihrem Blog berichtet sie aus ihrem Alltag als Pflegefachfrau. Sie kommentiert. Sie fordert.
Bisher gab es so etwas nicht in der Schweiz. Eigentlich erstaunlich, zumal das Gesundheitswesen und die Pflege immer wieder Teil der öffentlichen Debatte sind.
«Viele Diskussionen rund ums Gesundheitswesen werden in Abwesenheit vom Pflegepersonal geführt wird. Dabei sind wir es, die die Entscheide am Schluss an der Basis ausbaden», sagt Madame Malevizia.
«Jedes Mal könnte ich kotzen»
Schaltet sie sich in die gesundheitspolitischen Debatten ein, platzt ihr regelmässig der Kragen. Technokratischen Begriffen wie «Kosten senken» oder «Effizienz» hält Madame Malevizia ihren Klartext dagegen: «Jedes Mal könnte ich kotzen», schreibt sie beispielsweise in einem Blogeintrag, in dem es um Sparmassnahmen geht.
«Solche Diskussionen finde ich immer wieder zynisch. Jene, die Sparmassnahmen entscheiden, betrifft es ja nicht wirklich. Ich aber stehe am Bett und weiss, was es bedeutet. Deswegen wähle ich manchmal drastische Begriffe.»
Mit Verve gegen Vorurteile
Der Blog von Madame Malevizia stösst auf Resonanz. Über 80'000 Mal wurde der Eintrag mit dem Titel « Chli chrankeschwöschterle » gelesen, in dem sie mit Verve verschiedenen Mythen rund um die Pflege entgegentritt. Etwa jener gängigen Vorstellung, dass man in der Pflege nur ein bisschen gesunden Menschenverstand brauche.
Dieser Degradierung tritt sie entgegen: «Wenn wir solche Fehlwahrnehmung stehenlassen, dann werden sie am Ende zur Wahrheit in der Öffentlichkeit. Das schwächt unsere Position.»
Ihr Blog soll aufrütteln
Und so bloggt sie aus ihrem Alltag. Mit Realität gegen Mythen. Mit Forderungen an Politiker. Hin und wieder schreibt sie die Entscheidungsträger und Trägerinnen direkt an.
Und bekommt auch meistens eine Antwort. Allerdings sei das häufig «Politikergewäsch», wie sie es nennt. Glaubt sie, dass sie eine Wirkung hat, wenn doch nur Floskeln zurückkommen?
«Doch daran glaube ich. Auch wenn es nur die Wirkung ist, dass andere Pflegefachpersonen merken, dass wir uns einmischen dürfen – und müssen.»