Die Geburtsurkunde von New York darf in dieser Ausstellung nicht fehlen: ein eingerissener und vergilbter Brief von 1626. Geschrieben von einem gewissen Pieter Schaghen, Verwalter bei der niederländischen Westindien-Kompanie.
Er informiert einen Vorgesetzten im fernen Amsterdam darüber, dass sie einen geeigneten Ort gefunden hätten, um Nieuw Amsterdam zu gründen: eine Insel im Mündungsgebiet des Hudson River.
Für Glasperlen und Ziergegenstände im Wert von 60 Gulden hätten sie die Insel der indigenen Bevölkerung, dem Stamm der Lenape, abgekauft. 60 Gulden entsprachen damals ungefähr sieben Biberfellen.
Manahahtáanung wurde die Insel von den Lenape genannt. Manahahtáanung wie Manhattan. «Manhahtáanung or New Amsterdam» lautet auch der Titel dieser bahnbrechenden Schau. Ein Zungenbrecher, doch die Ausstellung im Amsterdamer Stadtmuseum bietet auch einen Videosprachkurs an: zum Üben der korrekten Aussprache.
Ein überfälliger Perspektivwechsel
Bahnbrechend deshalb, weil sie die Gründungsgeschichte von Nieuw Amsterdam, dem späteren New York, erstmals aus der Perspektive der einheimischen Bevölkerung darstellt.
Die Insel für ein paar Ziergegenstände verkauft? Das ist absurd.
Bisher war es die Erfolgsstory der abenteuerlustigen Siedler von der Nordseeküste gewesen, die aus dem Handelsposten am Hudson ein Abziehbild von Amsterdam machten.
Zwar mussten die Niederländer die Insel 1667 an die Engländer abtreten (aus Nieuw Amsterdam wurde New York), aber die 60 Gulden-Transaktion von Pieter Schaghen galt vier Jahrhunderte lang als lukrativstes Schnäppchen des niederländischen Handelsgeistes.
Und Schaghens Brief galt ebenso lang als Beleg dafür, dass die Lenape Manahahtáanung damals freiwillig verkauft hätten. «Ein Mythos!», stellte Brent Stonefish, ein Nachfahre der ursprünglichen Bewohner Manahahtáanungs, klar.
«Es gab keinen Verkauf. Die Vorstellung, dass man Land besitzen und damit handeln kann, ist uns fremd. Dass wir die Insel für ein paar Ziergegenstände verkauft haben sollen, ist absurd!»
Stonefish gehört zu einer Gruppe von Lenape, die diese Ausstellung zusammen mit dem Amsterdamer Stadtmuseum konzipiert haben und dabei schonungslos mit romantischen Vorstellungen aufräumen.
Denn was mit Handel begann, führte zu Krieg, Vertreibung und Ausbeutung: «Erst durch die niederländischen Kolonisten, dann durch die britischen», sagt die Kuratorin Imara Limon.
«Wir sind immer noch da»
Erzählt wird die Geschichte anhand von Dokumenten, Karten, Schiffsmodellen und Kunstwerken der Lenape. Auch ein ausgestopfter Biber fehlt nicht.
Am ausdrucksstärksten sind die Videos, in denen die Nachfahren der ursprünglichen Bewohner selbst zu Wort kommen. Unter ihnen Häuptling Yrie Ridgeway: «Wir sind immer noch da. Wir sind die Überlebenden eines Holocausts. Eines Völkermordes. Aber unsere Kultur, unsere Familien und unsere Sprachen sind immer noch am Leben.»
Korrigierte Geschichte
Schwere Kost, die man erst einmal verdauen muss. Und Zeit muss man sich für diese Ausstellung auch nehmen. Allein der Häuptling spricht in seinem Video eine Stunde lang.
Dennoch ist die Schau einen Besuch wert: Die Geschichte der Gründung New Yorks wird neu erzählt. Und ein Kapitel der Geschichte, auf das die Niederländer besonders stolz waren, korrigiert.