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Eine Frau zeigt ihre Handfläche, auf der Stop steht.
Legende: Sexuelle Gewalt öffentlich zu machen, könne Betroffenen helfen, sagt Daniela Brühwiler. Estherm/Photocase

#metoo «Das Nennen von Namen bringt nichts – höchstens eine Klage»

Unter dem Hashtag #metoo machen derzeit Zehntausende ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung sichtbar. Einige fordern, dass man nun Täter beim Namen nennen muss. Daniela Brühwiler, die selbst Betroffene berät, hält das für keine gute Idee.

SRF Kultur: In den sozialen Netzwerken verlangen einige, dass die Frauen, die unter dem Hashtag #MeToo über sexuelle Gewalt twittern, die Namen der Täter nennen – sonst würde sich ja nie etwas ändern. Was halten Sie von dieser Forderung?

Daniela Brühwiler: Ich würde den betroffenen Frauen auf jeden Fall davon abraten, den Namen der Täter zu nennen. Das bringt ihnen überhaupt nichts, höchstens eine Klage wegen Ehrverletzung oder Verleumdung.

Wenn eine Frau ihre Erfahrung öffentlich machen möchte, dann sollte sie zur Polizei gehen oder sich bei einer Frauenberatungsstelle, etwa bei uns, zu einer Anzeige beraten lassen.

Zur Person

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Daniela Brühwiler arbeitet als Sozialpädagogin bei «Frauenberatung: sexuelle Gewalt» in Zürich. Sie unterstützt und berät Frauen, die von sexueller oder häuslicher Gewalt betroffen sind.

Worauf muss sich eine Frau gefasst machen, wenn sie sich für eine Anzeige entscheidet?

Sie wird einige Stunden bei der Polizei sein, um zu erzählen, was passiert ist. Später auch bei der Staatsanwaltschaft – wieder einige Stunden, manchmal einen ganzen Tag. Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, kann es sein, dass sie wiederum aufgeboten wird, um Fragen zu beantworten.

Es kann gut ein oder zwei Jahre dauern, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Das ist sehr belastend für viele Betroffene, und man muss sich diesen Schritt gut überlegen.

Ich würde den betroffenen Frauen davon abraten, den Namen der Täter zu nennen.

Bei sexuellem Missbrauch gibt es oft keine Zeugen und Beweise, es steht vor Gericht Aussage gegen Aussage. Wie hoch sind die Chancen, dass der Täter am Ende verurteilt wird?

Bei Vergewaltigungen ist die Quote der Verurteilungen leider sehr tief. Es gibt hier eine Studie aus dem Jahr 2013, die sich auf die gesamte EU bezieht. Demnach liegt die Anzeigequote bei sexueller Gewalt ungefähr bei 20 Prozent – die wenigsten Frauen erstatten also eine Anzeige.

Beratungsstellen

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Auf der Webseite der Zürcher Frauenberatung finden sich Links zu Beratungsstellen, an die sich Betroffene und Zeugen von sexueller Gewalt wenden können.

Von diesen Anzeigen kommen wiederum nur 20 Prozent bis vor Gericht. Davon kommt es dann in 77 Prozent der Fälle zu einer Verurteilung. Das heisst: Die Veurteilungsquote bei Vergewaltigungen liegt bei 3 Prozent. Das ist sehr tief.

Aber es gibt auch Frauen, denen es hilft, den Missbrauch durch eine Anzeige offiziell zu machen. Auch wenn das Verfahren eingestellt wird, kann die Anzeige hilfreich sein, um damit die Erfahrung öffentlich zu machen.

Der Hashtag #MeToo

Unter dem Hashtag #MeToo berichten auf Social Media immer mehr Menschen über ihre Erlebnisse mit Alltagssexismus, sexueller Belästigung und Gewalt. Insbesondere Frauen, aber vereinzelt auch Männer.
Auch viele Schweizerinnen teilen ihre Erlebnisse.
Die Idee zu #MeToo hatte die US-amerikanische Schauspielerin Alyssa Milano.
Ihr Tweet war eine Reaktion auf die Affäre um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, der mehrere Frauen belästigt und vergewaltigt haben soll.
Der Skandal um Weinstein hat auch andere Hashtags hervorgebracht. Etwa:
#MyHarveyWeinstein
#WomenBoycottTwitter

Was bringt eine Online-Debatte, wenn keine Namen von Tätern genannt werden?

Für die einzelnen Frauen mag das hilfreich sein. Aber ich glaube nicht, dass sich dadurch die Gesellschaft verändert. Solche Aufschreie gibt es immer wieder, sie schlagen hohe Wellen und verschwinden dann wieder.

Aber die Realität dahinter ist: Sexuelle Gewalt findet statt, hier und jetzt. Am Problem selber verändert die Online-Debatte nichts.

Die Realität hinter der Debatte ist: Sexuelle Gewalt findet statt, hier und jetzt.

Die Debatte fokussiert stark auf die Seite der Betroffenen. Müsste sie nicht viel stärker auf die Täterseite abzielen, indem man fragt: Wie kann es sein, dass so viele Männer Frauen sexuell missbrauchen?

Es wäre gut, wenn Männer dazu Stellung nehmen würden. Wenn in der Schule dazu Präventionsarbeit geleistet würde. Wenn Mütter und Väter mit ihren Söhnen darüber sprechen, was ihre Rolle dabei ist. Was heisst es, Respekt zu haben – und was heisst das gegenüber einer Frau? Das sollte thematisiert werden.

Das Gespräch führte Katharina Mutz.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 18.10.17, 6.50 Uhr

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