Ein Zugpferd, das erst noch für Lacher sorgt: Mike Müller tritt zusammen mit Viktor Giacobbo im Knie-Jubiläumsprogramm auf. Was muss man als Komiker tun, damit es in der Manege rund läuft?
SRF: Macht es Spass, das Zirkuspublikum zum Lachen zu bringen?
Es macht grundsätzlich Spass, Menschen zum Lachen zu bringen. In der Manege sind aber die Herausforderungen anders. Der Raum ist auf 340 Grad ausgerichtet, man muss sich ganz anders bewegen als auf der Bühne oder vor der Kamera.
Man ist auch unter Topartisten und steht jeden Tag vor 2350 Zuschauern, manchmal zweimal am Tag. Da hat man am Anfang ein bisschen Bammel. Wenn der Auftritt aber gelingt, macht es unglaublich Spass. Wenn es nicht so gut funktioniert, kann es wohl auch die Hölle sein.
Sie traten schon vor sechs Jahren im Zirkuszelt des Knie auf, damals drehten Sie eine Spezialsendung für «Giacobbo/Müller». Erinnern Sie sich an Ihren ersten Auftritt in der Manege?
Das war an einem Karfreitag, an dem der Zirkus aus religiösen Gründen nicht spielen durfte. Ich rannte mit Viktor huckepack in die Manege und war überwältigt. Das bin ich manchmal heute noch.
Der Applaus freut einen, er ist aber nicht der Lohn des Bühnenkünstlers. Den Lohn gibt’s in Franken.
War es ein Traum vom kleinen Mike Müller, in der grossen Manege aufzutreten?
Ein Kindheitstraum war es nicht, nein. Die Anfrage von Fredy Knie kam ziemlich unvermittelt, eine halbe Stunde nach unserer letzten «Giacobbo/Müller»-Sendung. Wir feierten im Kaufleuten eine Abschiedsparty. Ich zweifelte aber zuerst daran, ob ein Zirkusauftritt mit meinen Figuren möglich sei.
Warum die Zweifel?
Im Zirkus braucht man als Komiker was Farbiges, Lautes und Klares. Denn Clowns und Komiker sind im Zirkus dazu da, das Schöne, Feierliche, Virtuose im Zirkus zu brechen. Das geht nicht mit allen Figuren. Allein hätte ich das wahrscheinlich nicht gewagt. Aber nach ein paar Brainstormings mit Viktor konnte ich mir das gut vorstellen.
Was ist denn im Zirkus anders als sonst wo auf der Bühne?
Der Zirkus ist eine Mainstream-Veranstaltung. Das ist nichts Schlechtes. Das muss man auch können. Im Zirkus macht man keine hohe, feinsinnige Satire, da steht die Komik im Vordergrund.
Die Leute kommen auch nicht in erster Linie wegen uns oder einem politischen Programm, sondern weil sie Zirkus sehen wollen.
Der Zirkus ist ein Ort der Lebensfreude. Hinter den Kulissen stelle ich mir das Leben aber hart vor. Welche Rolle spielt Humor im Zirkusalltag?
Eine sehr grosse. Der Zirkus ist eine sehr besondere Welt. Man hat auch Zeit zum Quatschen. Man zieht zusammen mit 214 Leuten durch die Schweiz, lebt auch viel draussen. Man kann da nicht die ganze Zeit im stillen Kämmerlein sitzen.
Das ist eine Gemeinschaft, man trinkt manchmal nach der Vorstellung zusammen. Und das führt dazu, dass man es manchmal auch unglaublich lustig hat.
Jedes Missgeschick wird dann natürlich mit Lachern quittiert. Auch die paar Male, bei denen ich mich nur halbwegs auf dem Pferd halten konnte, weil ihm zu anderem zumute war.
Humor kann eine ernste Sache sein, nicht alle lachen über die gleichen Witze. Denken Sie eigentlich an sich, wenn sie Gags schreiben, oder ob das Publikum die Gags lustig findet?
Ich denke eigentlich nur an mich. Insofern gibt es keine Tabus in der Komik, es gibt sehr viele Sachen, die nicht lustig sind. Wie will man über eine Vergewaltigung Witze machen? Oder wenn eine Firma 400 Leute auf die Strasse stellt? Das sind Themen, die die Komik sehr schwer oder besser gar nicht behandelt.
Eins sollte man aber nicht tun: Das Publikum unterschätzen.
Man kann nur das lustig finden, was man selber lustig findet. Man muss in der Komik bei sich selber bleiben. Eins sollte man aber nicht tun: Das Publikum unterschätzen. Wenn man ihm Reaktionen voreilig zuschreibt, merkt es das – und die Komik geht vor die Hunde.
Der berühmte Clown Gaston sagte kürzlich in einem Interview: «Früher haben die Leute schneller gelacht als heute, auch bei Kleinigkeiten.» Eine Einschätzung, die Sie teilen?
Die Leute lachen, wenn ein Witz funktioniert. Wie ein Witz funktioniert, kann man am besten bei Sigmund Freuds «Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten» lesen: Er muss überraschend, er muss energieentladend sein.
Entscheidender ist für mich vor allem auch, ob man in der Stadt oder auf dem Land spielt, welcher Wochentag ist. Oder ob die Leute bezahlt haben oder gratis reinkamen.
Hat sich Ihre Beziehung zu Humor mit der Zeit verändert?
Ich glaube schon, dass es mit dem Alter eine Verschiebung gibt. Es gibt Zeiten, in denen man sich vielleicht eher für zwischenmenschliche Sachen interessiert. Oder man sieht es an der Mann-Frau-Beziehung, die man früher auf der Bühne vielleicht sehr viel klischierter behandelt hat als heute.
Der Witz ändert sich mit der Gesellschaft. Wenn man sich die Gender-Problematik oder die Akzeptanz beziehungsweise die Nicht-Akzeptanz von Homosexualität vor Augen führt, ist das auch gut so, dass man heute manche Witze nicht mehr macht.
Zum Schluss noch einmal zurück zum Zirkus: Wenn Sie nicht als Komiker im Zirkus auftreten würden, welche Rolle würden Sie übernehmen?
Die des Nachtwächters. Der hat seine Ruhe. Der kann zwölf Stunden bei den Tieren den Zirkus geniessen – ohne Lärm. (lacht)
Das Gespräch führte Danja Nüesch.