Eine junge, schöne Frau – mal im Deux-Pièce, mal im Bikini – als Repräsentations-Objekt der Schweiz ist offenbar nicht mehr interessant. Das lässt zumindest das Ende der Miss-Schweiz-Wahl, das vor wenigen Tagen verkündet wurde, vermuten.
Die Organisatoren der 42-jährigen Schweizer Institution «Miss Schweiz» haben für November Konkurs angemeldet, der Verkauf der Markenrechte ist gescheitert. Aber was sind die Gründe für das Ende?
«Hot statt hübsch»
«Das Frauenbild hat sich verändert», sagt Dominique Grisard, Genderforscherin an der Universität Basel. «Das Bild der hübschen, adretten, gesund-aussehenden, angepassten Frau zieht nicht mehr. Die Leute wollen sich sowas auch nicht mehr in den Medien anschauen.»
Eine Frau müsse heute «hot» statt nur hübsch sein. «Vielmehr noch: hot und sexy – aber selbstbestimmt sexy.»
Influencerinnen zeigen ein neues Frauenbild
Die Schweiz sei vielfältiger geworden, heterogener – und das widerspiegele sich in der Vorstellung von «sexy» und «hot»: Die Schönheit von Frauen werde vermehrt von globalen Schönheitsidealen beeinflusst, ästhetische Vorlieben seien diverser. Das führt dazu, dass die Miss Schweiz die Schweiz nicht mehr wirklich repräsentiert.
Heute spricht man nicht mehr von Miss Schweiz Melanie Winiger oder Fiona Hefti, sondern von Influencerinnen wie Xenia Tchoumitcheva oder Zoë Pastelle.
«Im Unterschied zu der eher altmodisch erscheinenden Miss Schweiz, die tut, was ihr gesagt wird und eine Vorzeige-Botschafterin unseres Landes sein soll, stehen Influencerinnen für eine ganz andere Figur», so Dominique Grisard. Sie inszenieren sich selbstbestimmt.
Die Social-Media-Stars entscheiden nämlich selbst, ob sie sich im Bikini zeigen, oder Werbung für ein Fitnessprogramm machen wollen. Ausserdem gibt es für jedes Bedürfnis eine Influencerin. Die Miss Schweiz hingegen tat, was ihr vertraglich vorgegeben wurde. Sie war sozusagen eine Allzweckwaffe.
Selbstbestimmt und sexualisiert
Ausserdem hatte die Miss Schweiz einen engeren Handlungsspielraum. Der Anspruch an sie lautete: Repräsentiere die Schweiz und die Schweizer Werte.
«Bei den Influencerinnen ist das ganz anders. Bei ihnen geht es darum, um das knappe Gut der Aufmerksamkeit, das in den Sozialen Medien vorherrscht, zu buhlen und aufzufallen. Häufig wird das dadurch erreicht, dass sie sich extrem sexualisieren», so die Geschlechterforscherin.
Da gibt es allerdings etwas Wichtiges zu beachten: «Hot ist nicht unbedingt schön. Das ist versatiler zu verstehen. Es können auch unterschiedliche Körperformen als hot inszeniert werden», so die Genderforscherin.
Die Miss Schweiz wurde von einer Organisation erschaffen und in Zusammenarbeit mit klassischen Medien bekannt gemacht – sei es durch Fernsehsendungen oder Geschichten in Hochglanzmagazinen.
Gutes Marketing ist gefragt
Influencerinnen hingegen sind, zumindest am Anfang, auf sich alleine gestellt. Sie müssen nicht nur interessant aussehen und hör- und sehbar sein, sondern auch gutes Marketing betreiben, damit sie überhaupt in den auserwählten Kreis der Influencerinnen aufgenommen werden.
«Auch für Brands ist das brave, angepasste Image der Miss Schweiz nicht mehr attraktiv», vermutet die Genderforscherin. Heute wollen Firmen starke weibliche Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten.
Vom Objekt zum Subjekt
«Es ist also eine gesellschaftliche Veränderung, die hier stattfindet: Geschlechterbilder haben sich gewandelt, die Medien und Technologien haben sich gewandelt und es gibt eine Verschiebung vom sexistischen Objekt hin zum sich selbst sexualisierenden Subjekt.
Was das konkret bedeutet? Firmen und Marken möchten keine Miss Schweiz mehr, die sich passiv auf ihr Aussehen reduzieren lässt. Sie möchten eine Influencerin, die sich selbst auf sexy und oder hot reduziert – sowohl in Bezug auf ihren Körper als auch ihre Persönlichkeit.