«Rire, c’est bon pour la santé», sagte Bundesrat Schneider-Ammann 2016 in seiner Fernsehansprache zum Tag der Kranken. Dass Lachen gesund ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Nicht nur auf die Psyche wirkt es, auch dem Körper tut es gut.
Peter Hain, Psychologe in Zürich und Mitorganisator von Humorkongressen, fasst zusammen: «Intensives Lachen beschäftigt die Muskulatur mehr als Joggen oder jede andere körperliche Übung. Es beeinflusst die Atmung positiv, fördert die Verdauung und alle möglichen Vorgänge. Lachen ist ein Gesundheitsgenerator, den man anspringen lassen könnte, wenn wir uns das noch erlaubten.»
Mike Müller, der komische Kindergärtler
Einer, der sich das Lachen erlaubt, ist Mike Müller, einer der erfolgreichsten Schweizer Komiker. Er entdeckte sein Talent im Kindergartenalter: «Ich war die ganze Schulzeit über mit lustigen Leuten zusammen», sagt er. «Wir haben uns einen Sport daraus gemacht, uns die Zeit einigermassen erträglich zu machen.»
Humor ist, wenn es lustig ist.
Er habe Lehrer parodiert, während er mit ihnen sprach, «ohne dass sie es gemerkt haben». Seinen Spass dabei kann man sich leicht vorstellen. Sich mit Humor etwas Gutes tun: Das war das Ziel.
Was Philosophie und Pointen gemeinsam haben
Neun Jahre Fernsehshow mit Victor Giacobbo, Bühnenprogramme wie «Erbsache», mit dem er zurzeit auf Tournee ist, Figuren wie der grantige Bauer Wermelinger und der spiessig-herzige Hanspeter Burri: Dem Humoristen Mike Müller ist nichts fremd. «Humor ist, wenn es lustig ist», erklärt er kurz und bündig.
Eine genauere Humor-Definition brauche er nicht zu liefern, denn sie würde ihm für seine Arbeit nichts nützen. Wichtig ist dagegen: «Was sind Figuren, Stück- und Plot-Ideen mit komischem Potenzial?»
Zwischen seinem Studienfach – der Philosophie – und seinem Beruf als Komiker sieht er als wichtigste Gemeinsamkeit, dass beides nie aufhört. Philosophische Fragen sind ebenso unerschöpflich und reichhaltig wie seine Darstellungen des Alltags in alle seinen Absurditäten.
Humor ist eine Wunderwaffe
Gerade während der Pandemie habe er aus dem Publikum viele Dankesworte erhalten und Bemerkungen gehört, dass seine heiteren YouTube-Filme «das Leben etwas einfacher machen», sagt Mike Müller.
Aber eine «therapeutische Absicht» verfolge er mit der komischen Kunst nicht: «Wir sind Unterhaltungskünstler. Ein Stück weit ist es Weltflucht, was wir bieten. Wir nehmen die Leute irgendwohin mit, wo es spannend sein könnte und wo man mit dieser komischen Welt spielt, die wir im Kopf haben.»
Humor als Hilfestellung in der Therapie
Ein spielerischer Umgang mit sich und der eigenen Situation, den Alltag bis ins Absurde weiterdenken: Hier berühren sich die Komik der Bühne und die Psychotherapie, wie sie der Psychologe Peter Hain seit Mitte der 1980er-Jahre praktiziert.
Humor kann Teil seiner therapeutischen Interventionen sein. Allerdings nicht die «scharfen» Varianten wie Sarkasmus und Zynismus, die im Kabarett durchaus ihren Platz haben. In der Therapie könnten sie im Klienten die Vorstellung wecken, er werde ausgelacht. Man müsse behutsam mit den Menschen umgehen, sagt Hain.
Als eine «wohlwollend distanzierende Haltung zu sich und seinen Problemen» bezeichnet Peter Hain den Humor, der seiner Arbeit zuträglich ist. Gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten versucht er damit, ihr Leid zu lindern.
Humor braucht Vertrauen
Humor ist dem Menschen zwar angeboren, doch auf Knopfdruck lässt er sich nicht einschalten: Voraussetzung ist Vertrauen. Die Therapeutin oder der Therapeut nimmt den Patienten kurz aus seiner Not, führt ihn an ungewohnte Sichtweisen heran und trägt damit im Idealfall dazu bei, das Verhalten zu ändern.
Bei einer Angstsymptomatik etwa, wie Peter Hain erklärt: «Angst deute ich oft als eine Form von Intelligenz um. Denn ohne Intelligenz könnte man gar nicht vorhersehen, dass einem etwas Angst macht.» Wegen dieser Umdeutung könnten Klientinnen und Klienten beginnen, ihre Situation wertschätzender zu betrachten – und nicht bloss zu denken: Die Angst muss weg.
Im Gespräch wird die Problematik weiterentwickelt: «Was könnte man an dieser Angst noch ausbauen? Befürchtungen sind meist nur halb so schlimm, wie sie sein könnten. Mit Klientinnen und Klienten kann ich in einer wohlwollenden Beziehung fragen: Wenn’s noch schlimmer wäre, wohin könnte das noch führen?»
Das mögen zunächst «mulmige Perspektiven sein», räumt der Psychotherapeut ein, «die am Ende aber vielleicht kippen und ein befreiendes und liebevolles Lächeln produzieren.»
Humor hilft aus der Hilflosigkeit
Als Beispiel berichtet Peter Hain von der Arbeit mit einem sehr schüchternen Elfjährigen, der stark gestottert hat. «Wir haben uns gefragt: Was macht denn dein Gegenüber, wenn du stotterst? Er hat herausgefunden, dass der Lehrer in dieser Situation sehr hilflos ist. Er darf nicht eingreifen und muss warten, bis es vorbei ist.» Der Lehrer leidet also ein wenig, wenn sein Schüler stottert.
Humor muss man trainieren.
Der Junge und sein Therapeut entwickelten eine Gegenstrategie: «Wenn er dich wieder mal schlecht oder unfair benotet, stotterst du ihm eins rein.» Denn man kann auch absichtlich stottern. Das verändere die Eigenwahrnehmung: «Man fühlt sich seiner Symptomatik nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann damit etwas anfangen. Man könnte den andern in die Ecke stottern.»
Öfter den «Ernst des Lebens» weglachen
Doch warum lachen wir im Alltag so wenig, wenn es uns doch angeboren ist und unser physisches und psychisches Befinden verbessert? Was hindert uns daran? Der sprichwörtliche «Ernst des Lebens».
Psychotherapeut Peter Hain erwähnt eine US-amerikanische Studie, gemäss der Kinder pro Tag 200- bis 300-mal lächeln oder lachen. Erwachsene bloss noch 20- bis 25-mal. Das Lachen wird uns ausgetrieben: in der Schule und im Berufsleben. Humor hat hier kaum Platz.
Peter Hain empfiehlt allen, sich pro Tag eine Stunde für humorvolle Beschäftigungen zu reservieren: etwas Lustiges lesen, Karikaturen betrachten, einen heiteren Film schauen. «Humor muss man trainieren», sagt er.
Darum beginnen Sie am besten jetzt.