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Monet statt Medis Museumsbesuch auf Rezept: In Neuenburg gehen Ärzte neue Wege

Kunst soll gut für die Gesundheit sein, daher dürfen die Bürgerinnen und Bürger von Neuenburg mit einer Verschreibung gratis in die vier Museen der Stadt. Doch ganz so einfach wirkt die Formel «Picasso statt Pillen» nicht.

Die Stadt Neuenburg lanciert eine neue Gesundheitskampagne: Wer von der Ärztin oder dem Arzt eine Verschreibung bekommt, darf gratis in die vier Museen der Stadt.

Dass Kunst gut ist für die Gesundheit – zu diesem Schluss kam im Jahr 2017 eine Studie aus Grossbritannien. Diese fand heraus, dass künstlerische Aktivitäten Demenz vorbeugen können – und bei Patienten dazu führen, dass sie gesünder essen, sich mehr bewegen und sich generell wohler fühlen. Auf diesen Effekt möchte nun auch Neuenburg setzen.

Medizinische Behandlungen durch kulturelle und soziale Angebote ergänzen: Das nennt sich «Social Prescribing» und hat seinen Ursprung in Grossbritannien. Grundsätzlich sei der Besuch eines Museums für die Gesundheit eines Menschen etwas Positives, findet auch die Kunsttherapeutin Denise Huber.

Über die Kunst ins Gespräch kommen

Doch Huber ist auch kritisch: «Ich glaube, es bräuchte einen bestimmten Rahmen. Zum Beispiel, dass diese Menschen im Museum andere Menschen treffen, mit denen sie auch in einen Austausch kommen über das, was sie sehen.» Da gebe es Möglichkeiten: zum Beispiel die Museumspädagogik.

Denise Huber erinnert sich an einen Museumsbesuch mit einer Gruppe, als ein Patient von einem Landschaftsbild Ferdinand Hodlers tief berührt war.

Landschaft mit See und Bergen im Hintergrund.
Legende: Ferdinand Hodlers «Landschaft am Genfer See» ist nur eines von vielen Landschaftsgemälden des Schweizer Malers. Landschaft am Genfer See, um 1906, Neue Pinakothek in München

Eine Ruine, die auf dem Bild zu sehen war, hat ihn daran erinnert, dass er als Kind einen solchen Zufluchtsort hatte, den er in schwierigen Momenten aufsuchen konnte. An einem solchen persönlichen Erlebnis könne man mit einem Gespräch anknüpfen, meint Huber.

Museumsbesuche seien in der Kunsttherapie aber eher selten. Denise Hubers Kunsttherapie findet meist in Gruppen in ihrem Atelier in Zürich statt. Hier geht es vor allem darum, dass Patientinnen und Patienten selber Kunst kreieren und dann darüber mit der Therapeutin sprechen.

Negative Gefühle sind auch möglich

Kunstwerke können Unterbewusstes hervorholen und den Patientinnen und Patienten auch blinde Flecken der eigenen Psyche aufzeigen. Umso wichtiger sei es, dass eine kunsttherapeutische Fachperson die Kunstbetrachtung begleitet.

Denn das Betrachten von Gemälden in einem Kunstmuseum kann unter Umständen auch negative Gefühle auslösen. Die Kunsttherapeutin nimmt das Bild «Schlafende Trinkerin» von Pablo Picasso als Beispiel.

Picasso-Bild in Blautönen, Frau sitzt mit geschlossenen Augen vor Tisch mit Glas.
Legende: Das Bild «Schlafende Trinkerin» (1902) von Pablo Picasso strahlt eine melancholische, dunkle Atmosphäre aus. Kunstmuseum Bern

Was ein Bild mit uns macht, ist letztendlich auch abhängig von uns und unserer Geschichte. «Wenn jemand beispielsweise ein Alkoholproblem hat, trifft das Bild von Picasso mit dem Absinthglas diese Person unter Umständen anders, als wenn jemand einfach Kunstliebhaber ist und das Bild toll findet», sagt die Kunsttherapeutin.

Aus der Isolation herauskommen

Die einfache Formel «Picasso statt Pillen» geht also nicht ganz auf. Trotzdem können vom Arzt verordnete Gratiseintritte fürs Kunstmuseum helfen, Menschen aus der Isolation zu bewegen und sich körperlich und geistig zu betätigen.

Die Nachfrage in Neuenburg ist jedenfalls sehr gross. Von den 1000 Verschreibungen, die für das Pilotprojekt zur Verfügung stehen, ist bereits über ein Drittel bezogen worden.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 11.3.2025, 17:10 Uhr ; 

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