Copoazu hat die Form eines Rugby-Balles und hängt in unscheinbarem Braun an einem Baum – meterhoch über der Erde. Zwischen Februar und Mai fallen die mit einem hellbraunen Flaum umgebenen ovalen Kugeln auf den Boden. Dann beginnt die Erntezeit für die Bauern der Produktionsgenossenschaft El Progreso im peruanischen Amazonasdepartment Madre de Dios.
Wilson Flores ist Präsident der Genossenschaft und führt durch seine Copoazu-Pflanzung. Vor 20 Jahren kam er mit einer Gruppe junger Bauern aus seinem Heimatdorf in den Hochanden nach Madre de Dios. Sie waren auf der Suche nach bebaubarem Land und einem Auskommen für ihre Familien.
«Wir waren so naiv, dachten im Regenwald würden uns die Früchte in den Mund wachsen. Dabei war hier alles Gestrüpp», erinnert sich Wilson Flores.
Das andere Gold des Regenwaldes
Nach und nach gewöhnten sie sich an das fremde Klima, die Hitze, die Schlangen und an die neuen Früchte. Vor gut 15 Jahren hörten sie erstmals von der Copoazu-Frucht und begannen die mit dem Kakaostrauch verwandten Bäume zu pflanzen.
Wilson Flores hebt eine Copoazu-Frucht vom Boden auf, klopft mit dem Messer auf die Schale. Die springt mit einem metalligen Laut auf und gibt ihren Inhalt preis: braune Bohnen umgeben von weissem, saftigem Fruchtfleisch.
«Zuerst haben wir nur das Fruchtfleisch verkauft, brachten jeden Eimer, den wir ernteten, rasch auf den Markt, bevor es fermentierte», erzählt Flores. Doch die Beharrlichkeit der Bauern, ihr Zusammenhalt sowie die technische Beratung durch die Caritas und andere Organisationen brachten den Erfolg.
Die universelle Bohne
Heute besitzt die Bauern-Genossenschaft eine neue maschinelle Produktionsanlage, in der sie nicht nur das Fruchtfleisch verarbeiten, sondern auch die Copoazu-Bohnen – ähnlich wie Kakaobohnen – zuerst fermentieren und dann trocknen.
Die Copoazu-Bohne schmeckt etwas weniger bitter als Kakao, fast so wie Nougat, und hat eine weichere Konsistenz. Man kann daraus Copoazu-Schokolade machen, Copoazu-Butter für die Kosmetikindustrie oder auch die Bohnen direkt rösten und als Snack essen.
Big Business mit der Bohne
Der Geheimtipp aus dem Amazonasgebiet spricht sich langsam herum: 2020 konnte die Genossenschaft erstmals 15 Tonnen Copoazu-Bohnen an eine Schokoladenmanufaktur nach St. Petersburg exportieren, 2021 waren es bereits 25 Tonnen.
Für die Bauernfamilien bedeuteten die Einnahmen aus dem Export einen Quantensprung. Doch der Krieg in der Ukraine hat ihre Hoffnungen vorerst zerstört: Der Export nach Russland kam dieses Jahr nicht zustande und die Bauern haben acht Tonnen Copoazu-Bohnen auf Lager, die einen neuen Käufer suchen.
Wilson Flores nimmt mit seinen Fingern eine Bohne aus der Copoazu-Schale, steckt sich das weisse Fruchtfleisch in den Mund und lässt es sich genüsslich auf der Zunge zergehen. Er und seine Bauern haben das andere Gold des Regenwaldes gefunden. Und zwar eines, das den Wald nicht kaputt macht, sondern nachwächst und erst noch köstlich schmeckt.