«Wir sind Papst» titelte die «Bild»-Zeitung 2005 nach der Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzinger zum Papst. Die Euphorie wich bald der Ernüchterung: Progressiv war dieser Papst nur beim Rücktritt, bilanzierten manche Medien damals.
Historischer Rücktritt
Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. aus Altersgründen im Februar 2013 war in der Tat historisch. Erst sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. hatte diese Möglichkeit im Kirchenrecht geschaffen, selbst aber hochbetagt und an Parkinson erkrankt nicht davon Gebrauch gemacht.
Bis dahin hatte gegolten: Papst ist man auf Lebzeiten. Befürchtungen, es könnte mit einem emeritierten und einem amtierenden Papst zu einer Kirchenspaltung wie im Mittelalter kommen, bewahrheiteten sich nicht.
Konservativer Glaubenshüter und Zensor
Joseph Ratzinger hat ab 1951 an verschiedenen Hochschulen in Deutschland Theologie gelehrt. Am Zweiten Vatikanischen Konzil beteiligte er sich als Theologe und Berater. 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre.
Benedikt XVI. – sein Leben in Bildern
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Bild 1 von 13. Geboren wurde Joseph Ratzinger am 16. April 1927 als Sohn eines Gendarmeriemeisters und einer Köchin in Marktl in Oberbayern. Bildquelle: KEYSTONE/EPA/Erzbistum.
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Bild 2 von 13. Joseph Ratzinger am 28.05.1977 bei seiner ersten Predigt nach der feierlichen Weihe zum Erzbischof der Erzdiözese München und Freising im Münchner Liebfrauendom. Bildquelle: KEYSTONE/DPA/Hartmut Reeh.
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Bild 3 von 13. Im September 1978 nehmen die in Albanien geborene Mutter Teresa und der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger an einer Messe während des 85. Deutschen Katholikentags in Freiburg teil. Bildquelle: Keystone/AP Photo/KNA.
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Bild 4 von 13. Der neu gewählte Papst Benedikt XVI. grüsst Pilger auf dem Balkon des Petersdoms am 19. April 2005. Es handelte sich um eine der kürzesten Konklaven der Geschichte. Bildquelle: KEYSTONE/EPA/VATICAN POOL/MARI.
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Bild 5 von 13. Grosse Freude in Deutschland: Am 20. April 2005 ziert der neugewählte Papst die Titelseiten der deutschen Medien. Bildquelle: KEYSTONE/AP Photo/Fritz Reiss.
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Bild 6 von 13. Joseph Ratzinger hat die Schweiz zwar nie offiziell besucht. Trotzdem gab es private Urlaubsaufenthalte. Im Juli 2006 stattete er der Fondation Barry in Martigny VS einen Besuch ab. Bildquelle: Keystone/L’Osservatore Romano.
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Bild 7 von 13. Papst Benedikt XVI., Angela Merkel und der damalige bayerische Landeshauptmann Edmund Stoiber am Münchner Flughafen im September 2006. Der Pontifex trat damals eine Pilgerreise in seine Heimat Bayern an. Bildquelle: KEYSTONE/AP Photo/Maurizio Brambatti.
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Bild 8 von 13. Papst Benedikt XVI. vor dem Felsendom als er das Gelände der Al-Aqsa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt am 12. Mai 2009 besucht. Er überbrachte eine Friedensbotschaft an den umstrittenen Ort des israelisch-palästinensischen Konflikts und forderte die Konfliktparteien auf, einen aufrichtigen Dialog aufzunehmen. Bildquelle: Keystone/AP Photo/GPO.
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Bild 9 von 13. Der damalige US-Präsident Barack Obama und First Lady Michelle Obama treffen Papst Benedikt XVI. am 10. Juli 2009 im Vatikan. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Haraz N. Ghanbari.
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Bild 10 von 13. Benedikt XVI. posiert mit Bundespräsidentin Doris Leuthard bei ihrem Besuch im Vatikan am 6. Mai 2010. Bildquelle: Keystone/EPA/FILIPPO MONTEFORTE/POOL.
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Bild 11 von 13. Die britische Königin Elizabeth II. spricht mit Papst Benedikt XVI. während einer Audienz im Morning Drawing Room im Palace of Holyroodhouse in Edinburgh im September 2010. Der Papst war damals zu einem viertägigen Besuch in Grossbritannien. Bildquelle: Keystone/AP Photo David Cheskin/Pool.
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Bild 12 von 13. Die «Bild»-Zeitung hat ihr Verlagsgebäude in Berlin mit einem riesigen Nachdruck der Titelseite vom 20. April 2005, als Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, im September 2011 bedeckt. Dies anlässlich eines offiziellen Deutschlandbesuchs von Benedikt XVI.. Bildquelle: Keystone/Markus Schreiber.
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Bild 13 von 13. Sein letzter offizieller Auftritt: Am Donnerstag, 28. Februar 2013, übermittelte Benedikt XVI. seine Abschiedsbotschaft an die Kardinäle im Vatikan. Er versprach seinem Nachfolger «bedingungslose Verehrung und seinen Gehorsam». Bildquelle: Keystone/AP Photo/L'Osservatore Romano.
Als oberster Glaubenshüter der römisch-katholischen Kirche stellte er regelmässig kritische Theologen wie Eugen Drewermann in den Senkel und verfügte Strafmassnahmen gegen Befreiungstheologen in Südamerika. Reformvorhaben wie die Priesterweihe für Frauen erteilte er eine Abfuhr, Abtreibungsgesetze geisselte er als «Kultur des Todes».
In der Ökumene trat Ratzinger auf der einen Seite für den Dialog zwischen den christlichen Kirchen ein, betonte aber auf der anderen Seite im Dokument «Dominus Jesus» im Jahr 2000 die Vorherrschaft der römisch-katholischen Kirche und sprach anderen christlichen Kirchen das wahre Kirche-Sein ab.
Acht Jahre lang regiert
Der Kardinal Joseph Ratzinger träumte gegen Ende seiner Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation von einer schriftstellerischen Tätigkeit und einem «ruhigen Ausklang meiner Tage». Er bat Papst Johannes Paul II. um Entlassung aus dem Amt, wurde jedoch 2005 zu dessen Nachfolger gewählt. Als Papst Benedikt XVI. hat er von 2005 bis 2013 regiert.
Mehrfach machte er dem konservativen Flügel der römisch-katholischen Kirche Zugeständnisse. Er erlaubte die Messe nach dem alten tridentinischen Ritus wieder und hob 2009 die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft auf.
Was ihm entgangen war: Richard Williamson, einer der vier Bischöfe, war ein Holocaust-Leugner. Ein internationaler Sturm der Entrüstung war die Folge – ebenso auf die Zulassung der liturgischen Bitte, Juden zu erleuchten, «damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.»
Eklat nach Regensburger Rede
Eine Ansprache an der Universität Regensburg 2006 sorgte für einen weiteren Eklat. Benedikt XVI. zitierte die Aussage eines mittelalterlichen Kaisers, wonach der Prophet Mohammed nur «Schlechtes und Inhumanes» gebracht habe und empörte damit Musliminnen und Muslime weltweit.
In seinen Lehrschreiben hingegen glänzte Benedikt XVI. als geistreicher Theologe. Er erläuterte Liebe und Hoffnung aus christlicher Sicht und setzte sich für eine Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft ein.
In seiner Amtszeit häuften sich die Berichte von sexuellen Übergriffen von Priestern und Ordensleuten auf Frauen und Kinder. Papst Benedikt entschuldigte sich bei den Betroffenen. Seinen Worten folgten jedoch bezüglich Aufarbeitung und Prävention wenige Taten. Bereits als Präfekt der Glaubenskongregation war er für die Untersuchung der Missbrauchsfälle zuständig und soll die Aufarbeitung verzögert und weggeschaut haben.
Vatileaks-Affäre
Ab 2011 soll der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele den Medien vertrauliche Dokumente zugespielt haben. Vorwürfe der Korruption, des Missmanagements und der Günstlingswirtschaft und einer homosexuellen Lobby im Vatikan standen im Raum.
Es entstand der Eindruck, dass Benedikt XVI. die Regierungsgeschäfte zunehmend entglitten waren. Benedikt XVI. ist als Papst der scheue Theoretiker geblieben, der ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirkte. Das Etikett «Theologen-Papst» ist er zeitlebens nicht mehr losgeworden.