In Deutschland dürfen Nazi-Symbole in Games künftig auftauchen – unter bestimmten Voraussetzungen. Bislang mussten Hakenkreuze oder SS-Runen für den deutschen Markt ohne Ausnahme entfernt werden. US-Produzenten haben gar das Hitler-Schnäuzchen entfernt, um Problemen vorzubeugen.
Ist diese Neuregelung eine wichtige Änderung im kritischen Umgang mit Zeitgeschehen? Ein Gespräch mit SRF-Digital-Redaktor Guido Berger.
SRF: Im Film und in anderen Kunstformen durften in Deutschland Nazi-Symbole vorkommen. Warum nicht in Games?
Guido Berger: Das Verhältnis der deutschen Gesellschaft zu Games war lange Zeit sehr angespannt. Das hat mit einer moralischen Panik zu tun: Man hatte das Gefühl, Games seien ein gefährliches Medium, vor dem man Kinder und Jugendliche grundsätzlich schützen müsste. Dabei ging es um Kriegsverherrlichung, aber auch um Gewalt generell.
Games waren ein neues Medium. Man konnte nicht voraussehen, welche Wirkung sie haben würden. Zumal sie interaktiv sind und es dadurch nahe lag, dass sie anders wirken als andere Medien.
Mittlerweile scheint sich aber der Gedanke durchgesetzt zu haben, dass Games ein Kulturgut sind wie etwa Filme auch.
Hinkt Deutschland mit diesem Verständnis anderen Ländern hinterher?
Deutschland hat einen eigenen Weg, wie es die Jugend vor problematischen Inhalten schützen möchte. Nämlich durch ein Expertengremium, das sich jedes einzelne Game anschaut.
Bei Games herrschte lange Zeit moralische Panik.
In Deutschland ist die USK für Altersfreigaben von Unterhaltungssoftware zuständig. Dieses Institut durfte bislang Spiele mit die Nazi-Symbolen nicht klassifizieren – also freigegeben ab 12, ab 16, ab 18 Jahren.
Spiele ohne USK-Altersklassifikation kommen in Deutschland aber nicht auf den Markt. Das ist Gesetz. Ab jetzt kann die USK von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Game trotz Nazi-Symbolen eine Klassifikation erhält. Die wird voraussichtlich häufig ab 18 sein.
Wie ist das in anderen Ländern?
Grossbritannien hat ein vergleichbares Gremium. Der Rest von Europa regelt die Freigabe über die PEGI, die Pan European Game Information. Da gibt es einen Katalog, der festlegt, welche Kriterien welche Altersfreigabe nach sich ziehen.
Entscheidend ist aber natürlich: In Deutschland sind Nazi-Symbole als verfassungsfeindliche Symbole verboten.
Über wie viele Spiele mit Nazi-Symbolen reden wir überhaupt?
Es gibt die grossen, bekannten Kriegsspiele, die entweder im historischen Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind, wie «Call of Duty: WW2» oder das neue «Battlefield», das Ende dieses Jahres herauskommt.
Dann gibt es eine ganze Kategorie von Strategie-Spielen, in denen man als Feldherr Einheiten auf Karten verschiebt. Die wollen häufig historisch akkurat sein und darum auch Nazi-Flaggen zeigen, wenn sie im Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind.
Dann gibt es noch eine dritte Kategorie Games, in denen Nazis beliebte Gegner sind. Nazis abschiessen: Das ist moralisch nicht verwerflich. «Wolfenstein II: The New Colossus» wäre so ein Beispiel. Da geht es nicht um historische Genauigkeit, sondern um Unterhaltung.
Für den deutschen Markt mussten diese Spiele bislang umgebaut werden, das Hakenkreuz etwa durch andere Symbole ersetzt werden.
Das ist zukünftig möglicherweise nicht mehr nötig. Noch ist aber nicht klar, wie die USK das umsetzten wird. Sicher ist: Sie haben einen grösseren Freiraum. Sicher ist auch, dass sie keine rechtsradikalen Spiele mit Nazi-Symbolen zulassen werden.
Dreiecke statt Hakenkreuze auf Flaggen in Games: Was halten Sie davon?
Das ist absurd. Alle, die das Spiel spielen, kennen die Story. Die Geschichte ergibt auch nur Sinn, wenn Nazis als solche dargestellt sind.
Diese Abwandlungen und Verfremdungen waren ein komischer Tanz, den man aufführen musste. An der Wirkung des Spiels hat er nicht viel geändert.
Es ist absurd, in Kulturgütern die Strategie von Neonazis anzuwenden.
Zudem ist das ist ironischerweise genau die gleiche Strategie, die Neonazis anwenden. Sie dürfen keine Flaggen mit Hakenkreuzen schwenken, also nehmen sie welche mit abgewandelten Symbole.
Dass man in einem Kulturprodukt die gleiche Strategie fahren muss wie Neonazis, um sich vor Neonazis zu schützen, das ist absurd.
Geht es um die Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole, gelten in Deutschland Kulturgüter als Ausnahme, aber auch die Aufarbeitung von Geschichte. Ist diese auch ein Grund für die USK-Neuregelung?
Ich kenne nicht viele Games, die das machen. Das erste Ziel von Games mit Nazi-Darstellungen wie «Wolfenstein II: The New Colossus» ist Unterhaltung – und nicht Aufarbeitung von Geschichte.
Es gibt auch Games, die den Anspruch haben, gesellschaftliche oder historische Zusammenhänge zu kommentieren. Aber das sind nicht die grossen Games. Nicht die, die von sehr vielen Menschen gespielt werden und mit denen viel Geld verdient wird.
Ich kenne nicht viele Games, die Geschichte aufarbeiten.
Die Neuregelung gibt einfach mehr Flexibilität. Die USK kann jetzt Überlegungen anstellen wie: In welchem Kontext wird in einem Game ein Nazi-Symbol verwendet? Was ist die Aussage? Wird es verwendet, weil das Game in der Zeit angesiedelt ist und man es historisch akkurat halten will? Oder eines, das Nazis verherrlicht?
Diese Unterscheidung hat es bislang nicht gegeben. Die gibt es jetzt. Und das ist grundsätzlich gut.
Das Gespräch führte Nadja Röll.