Die AfD ist zu einer Partei geworden, die man sehr ernst nehmen muss. Sie sitzt jetzt seit gut einem Jahr als stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag und sie ist ausser in Hessen in allen Landesparlamenten vertreten. In Hessen ist diesen Sonntag Wahl, da wird sie dann auch reinkommen.
Man muss also zur Kenntnis nehmen, dass sich durch diese parlamentarische Präsenz der Rechtspopulisten die politische Kultur in Deutschland verändert. Das zeigt das neue Buch «Rechtspopulisten im Parlament» (siehe Buchhinweis) sehr deutlich auf.
Der politische Diskurs verschiebt sich nach rechts
Politikwissenschaftlerin Gudrun Hentges und die beiden Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge und Gerd Wiegel haben gründlich über die «Alternative für Deutschland» recherchiert. In ihrem Buch beschreiben sie, wie diese Partei zumeist aggressiv und provokant auftritt, dabei den Diskurs nach rechts verschiebt und eben alle politischen Diskussionen auf das Flüchtlingsthema lenkt. Und wie sie mehr und mehr das demokratische System in einen Zangengriff nimmt.
In den Parlamenten tut man einigermassen seriös, bei Demonstrationen marschiert man – wie zuletzt im August in Chemnitz – zusammen mit den Neonazis.
Wie hältst Du es mit Hitler?
Fest steht, dass es im europäischen Vergleich sehr lange gedauert hat, bis auch in Deutschland eine rechtspopulistische Partei solche Erfolge feiern konnte wie die AfD. Bisher war die Geschichte, die Nazizeit, immer eine Hemmschwelle. Da sind mal Nationalisten wie die NPD oder die Republikaner in ein Landesparlament gekommen, aber immer bei der nächsten Wahl wieder rausgeflogen.
«Wie hältst Du es mit Hitler?» war so eine Gretchenfrage des deutschen Parteiensystems. Das gilt jetzt nicht mehr. Und das nutzt die AfD für eine gezielte Verschiebung der politischen Achse nach rechts.
Eine sehr interessante und grundlegende Überlegung des Autorenteams in diesem Buch ist, wie eng Rechtspopulismus und Neoliberalismus zusammenhängen. Der Rechtspopulismus profitiert nach Analyse der Autoren stark von einer Krise des gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaftsmodells, das vor allem für soziale Defizite verantwortlich ist.
Grosse soziale Defizite
Dass in unseren Gesellschaften sich die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter vertieft, dass eine kleine Gruppe von sehr Reichen einen riesigen Anteil des Gesamtvermögens im Land hält, das macht den Rechtspopulismus so attraktiv.
Die soziale Ungleichheit wird als wachsende Ungerechtigkeit erlebt, immer mehr Menschen fühlen sich deshalb abgehängt vom bisherigen Parteiensystem. Zudem strömt die Wohlstandsgesellschaft einen sozialen Kältestrom aus. Die Einführung von Hartz 4 in Deutschland hat nach Ansicht der Autoren die Wirkungsmöglichkeiten der Rechtspopulisten stark erhöht.
Hinzu kommt, dass uns von der Politik immer wieder gesagt wird, es gebe keine Alternative zur derzeitigen neoliberalen Form der Globalisierung. Wenn dann eine Gruppierung kommt und sagt, doch wir bieten Alternativen an, wir heissen sogar Alternative – dann hat sie Erfolg.
Fortsetzung in Hessen
Also, vieles was in den langen Jahren der grossen Koalition in Berlin passiert ist an wachsender Ungleichheit, an Unsicherheit in der Altersvorsorge, beim Gesundheitssystem oder auch, dass es immer noch keine richtige Einwanderungspolitik gibt, das alles habe der AfD zugespielt.
Und damit passiert jetzt das, was die parlamentarisch gut abgesicherte AfD am deutschen Wahlabend im September 2017 durch ihren Vorsitzenden Alexander Gauland sagen liess: «Wir werden sie jagen». Mit der Fortsetzung wohl jetzt am Sonntag bei der Wahl in Hessen.