Saïda Keller-Messahli ist eine gefragte Frau. Nur wenige kennen sich zum Thema Islam in der Schweiz so gut aus wie sie. Sie wurde in Tunesien geboren, war zeitweise als Pflegekind in der Schweiz, arbeitete später als Flugbegleiterin für eine saudische Fluglinie. Zum Studium kehrte sie in die Schweiz zurück.
Weckruf einer besorgten Bürgerin und Muslimin
Sie gilt als Muslimin mit Bilderbuch-Integration. Seit Jahren wirbt sie für einen liberalen Islam und warnt vor Radikalisierung.
Dieser Tage ist Saïda Keller-Messahli besonders gefragt wegen ihres neuen Buches: «Islamistische Drehscheibe Schweiz: Ein Blick hinter die Kulissen der Moscheen».
Es liest sich als Weckruf einer besorgten Bürgerin und Muslimin. Keller-Messahlis zentrale Forderung lautet: Nulltoleranz gegenüber islamistischen Imamen und gegen eine falsch verstandene Religionsfreiheit.
Kritik an Katar und Saudi-Arabien
Finanziert würden die Anhänger des Salafismus und des Wahhabismus – zwei ultraorthodoxe Strömungen im Islam – aus Katar und Saudi-Arabien. Doch statt diesem Treiben die Stirn zu bieten, würden die Behörden mit «Duckmäuserei» antworten, kritisiert Keller-Messahli.
Der Westen trage Mitschuld, schliesslich handle er gerne mit den Golfstaaten, wenn es ums Öl, um Waffen und um Finanzgeschäfte gehe.
Keller-Messahli bekennt in ihrem Buch Farbe. Sie ist gegen die Vollverschleierung und auch gegen das Kopftuch – aus ihrer Sicht beides Symbole des politischen Islams und der Unterdrückung der Frau. Die Koran-Verteilaktion «Lies» hätte aus ihrer Sicht längst verboten werden sollen.
Keine «exotischen Kasperlifiguren»
Eindringlich warnt sie vor dem Islamischen Zentralrat Schweiz. Dessen Vertreter seien «alles andere als exotische Kasperlifiguren. Sie sind gefährlich, weil extrem und international vernetzt, rückwärtsgewandt, kompromisslos und bereit zur Bildung von Parallelgesellschaften», schreibt Keller-Messahli.
Vom Staat fordert sie mehr Überwachung, aber auch mehr Geld für Bildung. Bitter enttäuscht ist sie von Grünen und Sozialdemokraten, denen sie Naivität und Sozialromantik vorwirft. Stattdessen bringt sie «eine lose Kooperation ad hoc» auch mit «islamkritischen Parteien» ins Spiel und nennt als Beispiel die SVP und die deutschen Parteien CSU und Alternative für Deutschland.
Berechtigte Kritik, aber auch Mutmassungen
Ob eine Allianz mit der Rechten wirklich im Sinne eines moderaten Islams sein kann, ist fraglich. Auch bringt Keller-Messahli nicht immer handfeste Belege, sondern stützt sich teilweise auf Mutmassungen.
Sie ist damit selbst bei dem Problem, das auch die Behörden haben: genau nachzuweisen, dass so mancher Imam ein doppeltes Spiel spielt und sich in der Moschee anders gibt als draussen.
Und trotzdem ist Keller-Messahlis Buch wichtig. Es ordnet die Konflikte der letzten Jahre ein, die immer wieder hochkochen. Die Autorin wagt, was nur wenige liberale Muslime machen: Sie erhebt ihre Stimme in der Öffentlichkeit. Sie nimmt es mit den Mächtigen in den Schweizer Moscheen auf – und mit den Milliardären in Katar und Saudi-Arabien.
Sendungen:
Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 01.09.2017, 6.50 Uhr.
Radio SRF 1, Tagesgespräch, 04.09.2017, 13.00 Uhr