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Neujahrsgespräch Patti Basler: «Der Beichtstuhl war meine Kreativschmiede»

Die Kabarettistin Patti Basler bezeichnet sich als «überzeugte, atheistische Katholikin». Der Religion habe sie einiges zu verdanken. Wir haben sie zum Neujahrsgespräch getroffen.

Patti Basler

Autorin und Kabarettistin

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Sie gehört zu den Erfolgreichsten in ihrem Fach in der Schweiz: Die Bühnenpoetin, Autorin, Kabarettistin und politische Satirikerin Patti Basler. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 2019 den Salzburger Stier, die bedeutendste Kabarett-Auszeichnung im deutschsprachigen Raum.

SRF: Patti Basler, Sie sind auf einem Bauernhof im Aargauer Fricktal aufgewachsen und in die römisch-katholische Kirche gegangen. Was haben Sie der Religion zu verdanken?

Patti Basler: Die Religion und das religiöse Umfeld haben mich geprägt. Der Beichtstuhl ist die Kreativschmiede des Katholizismus. Ich habe im Beichtstuhl gelernt, Geschichten zu erfinden. Im Beichtstuhl muss man ein bisschen kreativ lügen. Die wahren Sünden hätte ich nicht gebeichtet.

Der Humor ist ein Ventil und eine Möglichkeit, am Wahnsinn dieser Welt nicht zu verzweifeln.

Was gibt Ihnen Halt im Leben?

Menschen wie ich, die Höhenflüge suchen, sich treiben lassen und im Moment leben wie ein Heliumballon, brauchen einen sicheren emotionalen Hafen, einen Rückzugsort und Freunde. Geld beruhigt, gibt mir aber nicht wirklich Sicherheit. Das soziale Umfeld, Menschen, die mich stützen, sind mein Anker.

Welche Rolle spielt der Humor?

Der Humor ist ein Ventil und eine Möglichkeit, am Wahnsinn dieser Welt nicht zu verzweifeln. Ich bin eine Art Kochtopf. Alles prasselt und dringt auf mich ein. Ich muss schauen, dass der osmotische Druck nicht zu gross wird und der Kochtopf nicht explodiert. Da brauche ich Ventile: Humor, Kunst, Satire und Ratio.

Schade, dass die römisch-katholische Kirche so hierarchisch, patriarchalisch und antifeministisch geprägt ist.

In Ihrem aktuellen Bühnenprogramm nehmen Sie kein Blatt vor den Mund und gehen mit der Religion und der römisch-katholischen Kirche hart ins Gericht. Sexuelle Übergriffe, jungfräuliche Geburt und die Weihnachtsgeschichte – gibt es bei religiösen Themen keinen satirischen Schonraum?

Ich stelle mich nicht über die Religion. Als Satirikerin lasse ich bei der Religion aber auch nicht allzu viel göttliche Gnade walten. Ich halte ihr den satirischen Spiegel vor. Es ist jedoch eine liebevolle Kritik, schliesslich bezahle ich nach wie vor Kirchensteuern. Da ich zu diesem Verein gehöre, ist es eine Art Selbstkritik.

Was schätzen Sie an der Religion, am Christentum?

Religion und Kirchen sind sozialer Kitt für die Gesellschaft. Die Religion prägt die postreligiöse Gesellschaft nach wie vor. Da gibt es tolle Geschichten, wie zum Beispiel die Schöpfungsmythen in der Bibel: Die Welt soll in sieben Tagen erschaffen worden sein. Daran halten wir uns in einem gewissen Sinn bis heute. Oder die Feiertage wie Weihnachten. Wir lassen uns das Jahr nach wie vor von der Kirche diktieren. Schade, dass die römisch-katholische Kirche so hierarchisch, patriarchalisch und antifeministisch geprägt ist.

Stimmt es, dass Sie als Kind Pfarrerin werden wollten?

Ja, das war im Dorf auch die einzige Perspektive für jemanden wie mich mit Sendungsbewusstsein.

Noch der Blick in die Glaskugel. Was prophezeien Sie für das Jahr 2025?

In den USA hat man sich mal wieder «trumpiert». Man hat es wie in der Schule lange mit einem Assistenzsenioren versucht. Der hatte leider Schwellenängste und Probleme beim Stufenübertritt. Jetzt kommt wieder ein Quereinsteiger aus der Wirtschaft. Ich befürchte, dass die Wirtschaft immer mehr übernimmt. Und zwar Donald Trump und die Musketiere, die mit ihren Milliarden kämpfen.

Da müssen wir uns daran erinnern: Auch der Mächtigste kann nichts ausrichten, wenn sich die Schwachen verbinden. Wie hiess es bei Wilhelm Tell: Verbunden sind auch die Schwachen mächtig.

Das Gespräch führte Norbert Bischofberger.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 1.1.2024, 8:30 Uhr. ; 

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