- Soll die antike Oasenstadt Palmyra nach deren Zerstörung durch den IS wieder aufgebaut werden? Die Meinungen gehen auseinander.
- Eine Austellung in Konstanz lässt Palmyra dank digitalen Modellen, Hologrammen und Objekten aus dem 3D-Drucker wiederauferstehen.
- Die digitale Rekonstruktion sei eine valable Möglichkeit, der Zerstörung etwas entgegenzusetzen, meint ein Archäologe.
Im letzten Raum der Ausstellung «Rebuild Palmyra?» im Konstanzer Bildungsturm entscheiden die Besucherinnen und Besucher. Soll Palmyra wiederaufgebaut werden oder nicht?
Ja, befanden die syrische und die russische Regierung, nachdem ihre Truppen im März 2016 Palmyra ein erstes und im März 2017 ein zweites Mal zurückeroberten. Ein schneller Wiederaufbau der von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützten Anlage sei möglich und wichtig.
Nein, erwiderten Archäologen weltweit, die vor dem Bürgerkrieg in Palmyra geforscht und gegraben hatten. Vor dem Wiederaufbau sei erst eine genaue Bestandesaufnahme der Schäden nötig.
Unklarer Zustand der Anlage
Ziemlich gut erfasst ist das Ausmass der Zerstörung bei Palmyras Hauptattraktionen, etwa dem Bel- oder Baal-Tempel. Nur mutmassen hingegen könne man über den genauen Zustand der ebenfalls gesprengten Turmgräber oder die Zerstörungen an unterirdischen Grabanlagen, erläutert der Archäologe Stefan Hauser von der Universität Konstanz.
Und: Ob für einen Wiederaufbau der Stätte mit Originalsteinen nach den vielen Sprengungen noch genug Material vorhanden ist, sei höchst unklar.
Andere Prioritäten beim Wiederaufbau?
Stefan Hauser hat vor dem Bürgerkrieg in Palmyra geforscht. Für ihn ist klar: Bevor die syrische Zivilbevölkerung nicht eine neue Lebensgrundlage erhalten habe, könne man nicht an den Wiederaufbau zerstörter Kulturgüter denken.
Und falls man sich tatsächlich einst für den Wiederaufbau entscheide, stelle sich die Frage, ob es wirklich die jahrhundertealten Ruinen von Palmyra sein sollen. Auch der im Krieg zerstörte Basar von Aleppo war UNESCO-Weltkulturerbe und im Unterschied zu Palmyra war er das lebende Herz einer Stadt – und nicht eine Ruinenanlage.
Interaktive Ausstellung
Muss die öffentlichkeitswirksame Zerstörung Palmyras also einfach hingenommen werden? Eine Alternative zeigt die Ausstellung «Rebuild Palmyra?».
Mit digitalen Modellen, interaktiven Stadtplänen, Hologrammen, Objekten aus dem 3D-Drucker und Virtual-Reality-Brillen lässt sie Palmyra auferstehen und dokumentiert die Anlage quer durch die Zeiten: Wie sah Palmyra aus in der Blütezeit vom 1. bis zum 3. Jahrhundert? Wie 1980 als die UNESCO die Stätte schützte? Und wie präsentiert sie sich nach der Zerstörung?
Digitale Rekonstruktion ist nicht Symbolpolitik
Erarbeitet haben die Ausstellung Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen der Universität und der Hochschule Konstanz (HTWG). So klein sie ist, die Qualität ist hoch. Gerade wegen des hohen Grades an technischer Verspieltheit.
Hologramme, 3D-Simulationen, Objekte aus dem 3D-Drucker spielen unter dem Schlagwort digitale Archäologie eine grosse Rolle in der aktuellen Debatte um den Wiederaufbau Palmyras. Und digitale Rekonstruktionen sind nicht einfach als Symbolpolitik abzutun.
Sie seien eine valable Möglichkeit, der Zerstörung etwas entgegenzusetzen, sich von der für den Westen inszenierten Sprengung Palmyras nicht unterkriegen zu lassen, sagt der Archäologe Stefan Hauser.
Auch wenn eine digitale Rekonstruktion nie ein Ersatz für die zerstörte archäologische Stätte sein kann.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 03.07.2017, 17:15 Uhr