Die junge Theologin Selina Stone forschte zu Pfingstgemeinden im Süden Englands. Sie wollte herausfinden, ob und wie sie sich gesellschaftlich engagieren. Ein Vorurteil gegenüber Pfingstgemeinden sei nämlich, dass sie sich nur in der eigenen, frommen «Blase» bewegen.
«Es gibt da wirklich eine Bewegung», sagt Stone, «mit viel sozialem, gesellschaftlichem und politischem Engagement.» Sie berichtet von Projekten, die straffällige Jugendliche wieder integrieren. Oder von einer Schule für benachteiligte Kinder im Süden Londons.
Unterschiede innerhalb der Bewegung
Stone betont, dass es in England einen Unterschied gebe zwischen klassischen Pfingstgemeinden, aus der Armut geboren, und der neueren sogenannten charismatischen Bewegung, deren Mitglieder aus der britischen Mittelschicht kommen würden.
Global gesehen werden die Begriffe allerdings oft synonym verwendet. Wichtig ist in der charismatischen Pfingstbewegung das direkte Einwirken des Heiligen Geistes.
Das öffentliche Bild ist geprägt von den lauten, grossen Figuren. Im deutschsprachigen Raum beispielsweise der kürzlich verstorbene Reinhard Bonnke, der in Afrika Hunderttausende zu seinen Veranstaltungen zog. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro nennt sich Pfingstler, ebenso der australische Premierminister Scott Morrison.
WhatsApp-Gruppen in Indien
Das internationale Forschungsnetzwerk «GloPent» will das Phänomen differenziert betrachten. Im Februar fand die jährliche Tagung mit rund 100 Teilnehmenden an der Universität Basel statt. Theologen, Religionswissenschaftlerinnen und Soziologen sind Teil des Netzwerks.
Neben Professoren präsentierten auch junge Wissenschaftlerinnen ihre Projekte. Julia Kuhlin aus Schweden untersuchte die Frömmigkeit indischer Frauen, indem sie die Nachrichten in WhatsApp-Gruppen von Pfingstgemeinden analysierte.
Sie fand heraus, dass es dort keine einheitliche Art und Weise gebe, den Glauben zu leben, sondern dass die Frauen dies sehr individuell täten. Ein wichtiges Thema sei gewesen, anderen Liebe und Fürsorge zu zeigen.
Soziale Projekte indigener Kirchen
Philipp Öhlmann und Marie-Luise Frost aus Berlin machten in West- und Südafrika Studien zu gesellschaftsrelevanten Projekten indigener Kirchen, die also von Afrikanerinnen und Afrikanern gegründet wurden. Dies seien oft Pfingstkirchen, doch die genaue Bezeichnung sei vor Ort gar nicht so relevant.
Sehr viele dieser Kirchen machten wichtige Arbeit im Bildungs- und Gesundheitsbereich, bekämen aber keine Unterstützung aus dem Ausland, da sie nicht in die Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit eingebunden sind.
Von der Weltflucht zur Zuwendung
Wie ordnet Andreas Heuser, Professor für Aussereuropäisches Christentum an der Universität Basel, diese Beispiele ein? «Es gibt überall Aufbrüche und neue soziale Projekte», sagt er. «Weniger in den Machtzentren der Mega-Kirchen, sondern eher an den Rändern.»
Er beobachtet einen Paradigmenwechsel: Von der Weltflucht zur Auseinandersetzung mit der Welt. Solche Projekte steckten jedoch oftmals noch in den Kinderschuhen und müssten professionalisiert werden.
Grundsätzlich sieht er diese Aufbrüche positiv. Bei aller Kritik, die er am stark dualistischen Denken der Pfingstbewegung hat.
In einer früheren Fassung lautete der Titel "Nicht alle Pfingstler sind Scharlatane". Diese Aussage war irreführend und wurde deshalb geändert.