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«Philosophie der Liebe» Liebe als Lust und Leid und Lebenssinn

Kaum ist etwas so vielgestaltig wie die Liebe. Wer kann sie schon fassen? Der deutsche Philosoph Peter Trawny versucht es in seinem neuen Werk «Philosophie der Liebe».

Liebe kennt viele Spielarten. Die christliche Nächstenliebe oder die aufregende erotische Liebe. Das romantische Glück, eine verwandte Seele zu finden, aber auch das grosse Leid der unerwiderten Liebe.

Der Philosoph Peter Trawny hat ein Buch geschrieben, in dem er versucht, der Liebe philosophisch auf die Spur zu kommen. «Philosophie der Liebe» heisst es.

Romantik ist eine Erfindung

Romantische Liebe, das klingt nach Herzklopfen und dem grossartigen Gefühl, den Richtigen, die Richtige gefunden zu haben. Nach wahrer Liebe, der es nur um die Liebe geht – nicht um Geld, Prestige, sozialen Status.

Dass die romantische Liebe am Anfang einer Beziehung steht, setzen wir heute als normal voraus. Das war nicht immer so. Diese Art der Liebe ist eine Erfindung der Romantik.

In früheren Jahrhunderten hat diese Form der Liebe keine grosse Rolle gespielt. Man hat geheiratet, um die Familie weiterzuführen, Besitz weiterzugeben.

Der Sinn der Leidenschaft

Die Idee der romantischen Liebe entstand im 18. Jahrhundert als Gegenentwurf zu einer Gesellschaft, die immer stärker von Ökonomie und Naturwissenschaft geprägt wurde.

In der romantischen Vorstellung von Liebe geht es um Verzauberung, um Leidenschaft, darum, dem Leben einen Sinn zu geben. Der Dichter Novalis formulierte es so: «Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.»

Mann in schwarzem Pullover vor Landkarte Südamerikas
Legende: «Die Welt muss romantisiert werden», sagt Peter Trawny. So würde man den ursprünglichen Sinn wiederfinden. ZVG / Peter Trawny

Peter Trawny erläutert in seinem Buch kurz aber sehr anschaulich, wie die romantische Liebe erfunden wurde. Und was das bis heute für uns bedeutet.

Und er weist auch darauf hin, dass die Idee der Sinngebung durch Liebe auch ihre Schattenseiten hat. Wenn die Liebe endet, dann bricht mit ihr eine Welt zusammen. Und welche Liebe hält schon ewig?

Mütter, Pornos und Narzissten

In 57 kurzen Essays erzählt Peter Trawny von der Liebe als Lust und Leid und Lustspielstoff. Er schreibt über Mutterliebe, Selbstliebe und Pornografie. Über das liebende Andenken an Tote, künstliche Frauen und problematische Geschlechterrollen.

Es gibt kaum einen Aspekt im weiten Kosmos von Liebe, Sex und Sympathie, den er nicht antippen würde. Und man folgt ihm gern bei seinen Erkundungen: Trawny schreibt locker, alltagsnah und doch mit gedanklicher Tiefe.

All you need is love

Zum Beispiel untersucht Trawny Liebeslieder von den Beatles oder The Who und fragt, wie die Texte, die Melodien funktionieren. Das macht Lust, sich durch die eigene Plattensammlung zu hören und sich zu fragen, welche Songs da was in einem zum Klingen bringen – und warum.

In manchen seiner Kurz-Essay umkreist der Autor auch sehr gewichtige philosophische Fragen. Zum Beispiel gibt es einen kleinen Text zum Verhältnis von Liebe und Freiheit. Zwei der grossen Leitideen der Moderne könnte man sagen.

Buchhinweis

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Peter Trawny: «Philosophie der Liebe». Fischer, 2019.

Lässt sich das vereinbaren: sich mit Haut und Haar dem geliebten Anderen zu verschreiben und gleichzeitig seine Unabhängigkeit zu bewahren?

Die Textsammlung ist gerade in ihrer grossen Vielfalt spannend und regt immer wieder an, eigenen Gedanken nachzugehen.

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