Er sieht so gar nicht aus wie ein Philosoph. Eher wie ein Türsteher. Vincent Fella Hendricks. Von Haus aus ist er Logiker und beschäftigte sich über Jahre mit spitzfindigen mathematisch-philosophischen Problemen.
Doch dann, vor ein paar Jahren, fragte ihn sein 17-jähriger Sohn: «Paps, was machst du eigentlich den ganzen Tag? Und ist das wichtig?». Das war der Moment als Hendricks erkannte, dass er als Forscher eine Verantwortung trägt, für die Welt und für zukünftige Generationen.
Hendriks erforscht die Potenziale von Filterblasen
Seither untersucht er mit seinem logisch geschulten Denken ein Phänomen, das laut dem World Economic Forum zu den grössten Herausforderungen unserer Zeit zählt: Fehlinformation im Internet.
Vor zwei Jahren gründete er das «Center for Information and Bubble Studies (CIBS)» an der Universität Kopenhagen. Es ist das weltweit einzige Institut zur Erforschung von Fake News und Filterblasen.
Hendricks vergleicht Filterblasen mit Blasen aus anderen Bereichen, etwa aus der Wirtschaft. Dort spricht man von einer Blase, wenn ein Gut zu Preisen weit über seinem Wert gehandelt wird.
Die Preise im Internet sind nicht monetär, sondern sozial
Auch im Internet gibt es dieses Phänomen. Die Preise im Internet sind nach Hendricks jedoch nicht monetär, sondern sozial: Es geht um Macht, Status, Sichtbarkeit. Die Investoren, das sind wir alle, indem wir unsere «Likes» platzieren und Informationen teilen. So manövrieren wir uns allmählich in eine Filterblase, in die nur noch das eindringt, wovon Algorithmen denken, dass wir darauf abfahren.
Aber gab es diese Phänomene nicht schon früher, vor dem Internet? Lebte die Grossmutter in ihrem Dorf nicht auch in einer solchen Blase, und gab es da nicht auch Gerüchte?
Billige Information macht Politik oder Geld
Falschmeldungen gab es schon früher, bestätigt Hendricks, doch heute werden sie übers Internet und die sozialen Medien in Sekundenschnelle geteilt und erzielen eine ungeheure Reichweite.
Zudem seien Fake News oft eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit, passgenau auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnitten. Billig hergestellte Information, die Klicks generieren soll. Die einen wollen damit Politik machen, andere einfach Geld. Je spektakulärer die Neuigkeit, desto höher die Klickzahlen, desto mehr Geld für Werbung.
Dagegen habe es die Wahrheit heute schwer, meint Hendricks, denn sie sei teuer zu produzieren und oft weniger interessant als billige Fake News, die schnell die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und «viral» geteilt werden. Für den seriösen Journalismus stelle das eine enorme Herausforderung dar.
Ein Online-User ist kein Kunde – sondern ein Produkt
Hendricks will uns klarmachen, dass wir User keine Kunden sind, sondern Produkte: «Das Geschäft der sozialen Medien besteht darin, durch Information die Aufmerksamkeit der Menschen anzuziehen und diese Aufmerksamkeit dann an die Werber zu verkaufen.»
Zusätzlich zum Produkt sind wir aber auch Journalisten und Reporter: Wir alle können Informationen generieren, publizieren, kommentieren. Das bedeutet, wir alle tragen eine Verantwortung und sollten nachdenken, bevor wir Informationen «liken» oder «sharen».
Ansonsten würden wir in einer postfaktischen Gesellschaft enden, in der Gerüchte und falsche Geschichten zur Basis der Gesetzgebung werden. «Wir können in sehr grosse Schwierigkeiten geraten», meint Hendricks, «wenn wir nicht lernen, uns selber zu erziehen». Die Wahrheit habe uns Menschen bislang einen guten Dienst erwiesen. Darauf sollten wir uns wieder besinnen.
Sendung: SRF1, Sternstunde Philosophie, 03.09.2017, 11.00 Uhr