«Jedes Land hat ein Problem mit Rassismus im Fussball und sollte alles tun, um das Problem anzugehen.» Das sagt George Starkey-Midha von «Kick It Out» – einer Initiative, die sich seit 1993 von London aus gegen Rassismus im Fussball einsetzt.
War da nicht was?
In einer Umfrage, die «Kick It Out» und «Forza Football» (Schweden) im vergangenen Herbst weltweit durchführten, antworteten 54 Prozent der 27'000 befragten Fans, sie hätten im Stadion rassistische Vorfälle wahrgenommen.
«Vielleicht möchten manche Leute denken, wir leben im Jahr 2019 und das Problem existiert nicht mehr», sagt Starkey-Midha. «Aber das ist nicht der Fall. Deshalb ist es wichtig, dass wir aufpassen und unser Bestes tun, um Rassismus in den Stadien weltweit zu bekämpfen.»
Die Sprache der Zahlen
Die Zahlen zu den einzelnen Staaten, die die beiden Organisationen erhoben haben, sind allerdings interpretationsbedürftig. In Deutschland etwa geben 67 Prozent der Befragten an, im Stadion Rassismus festgestellt zu haben, in der Schweiz sind es 63 Prozent, in England 50 Prozent, in Russland 41 Prozent.
Das bedeutet nun nicht, dass es in Deutschland mehr Vorfälle gibt als in Russland. Starkey-Midha erklärt, höhere Zahlen könnten ausdrücken, dass die Fans im einen Land hinsichtlich Rassismus sensibilisierter seien als im anderen.
Tiefere Werte könnten verschleiern, dass schwarze Spieler zwar sehr wohl beschimpft würden, die Mehrheit des Publikums solche Äusserungen aber nicht als rassistisch einstufe.
Das Problem mit den Problemzonen
Aleksander Ceferin, Präsident des europäischen Fussballverbands UEFA, sagte vergangenes Jahr, das Rassismusproblem sei in ganz Osteuropa gross, als Problemzonen nannte er aber auch Italien und England.
Einzelne Länder oder Clubs hervorzuheben, bringe nichts, sagt dagegen George Starkey-Midha von «Kick It Out». Niemand könne sich brüsten. Denn: «Jedes Land in Europa und auf der Welt hat ein Problem mit Rassismus und Diskriminierung.»
Bananen und Affengeräusche
Dass Zuschauer Bananen aufs Feld werfen oder schwarze Spieler mit Affengeräuschen beleidigen, sei heute viel seltener als in den 1980er-Jahren. Damals hätten sich zum Beispiel in englischen Stadien viele Rechtsextreme versammelt.
Zwar versuchen sie auch heute, im Fussballumfeld zu rekrutieren, doch damit haben sie laut Starkey-Midha wenig Erfolg. Rassismus manifestiere sich aktuell in englischen Stadien nicht organisiert. Nur sporadisch gehe er von einer Menschenmenge aus, sondern meist von einer oder zwei Personen.
Selbstregulierung in den Stadien
Rassismus existiere in der Gesellschaft und demzufolge auch in den Fankurven, sagt George Starkey-Midha. Und: «Fussballstadien können ein gewisses Verhalten erleichtern. In dieser Umgebung benehmen sich Leute anders. Auf der Strasse greifen sie nicht in rassistischer Weise andere an. Weil sie von Tausenden umgeben sind, denken sie, sie kommen damit durch.»
Die Gesellschaft habe sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt, stellt der Vertreter von «Kick It Out» fest. Die Menschen seien sich stärker bewusst, was tolerierbar sei.
Unter Fussball-Anhängern gebe es eine gewisse Selbstregulierung. Der Ordnungsdienst in Stadien sei besser geworden. Es gibt Instanzen, wo rassistisches Verhalten gemeldet werden kann. «Dann kann man etwas unternehmen. Der Fehlbare erhält Stadionverbot oder wird sonst wie bestraft.»
Ab in den Pub?
Clubs müssten stark auftreten und rassistisches Verhalten nicht unter den Teppich kehren. Sondern hinschauen und melden, sanktionieren und erziehen. «Sonst geht ein Fan mit Stadionverbot einfach in den Pub und lebt sich dort rassistisch aus.
Wenn möglich, sollten es die Clubs solchen Leuten ermöglichen, sich zu rehabilitieren. Aber die Fans müssen bereit sein, etwas zu lernen und ihr Verhalten zu ändern.»
Es gebe jedoch Unverbesserliche, die sehr wohl wüssten, was Rassismus ist und anrichtet, «aber sie sind leider dafür.»
Ganz unten
In den englischen Profi-Ligen beträgt der Anteil nichtweisser Spieler etwa ein Drittel. Positionen als Clubfunktionäre und Trainer erreiche diese Gruppe aber nur selten. Auf dieser Ebene diagnostiziert George Starkey-Midha einen strukturellen Rassismus.
Und er weist auch darauf hin: In den unteren Ligen, im Amateurfussball, unter den Feierabend-Kickern sei Rassismus sehr häufig. Farbige Spieler seien kaum vor Übergriffen geschützt.