Kevin Rüegg ist 21 Jahre alt und Captain des FC Zürich. Der Fussballer mit schweizerischen und kamerunischen Wurzeln sagt, er sei im Fussball noch nie rassistisch beleidigt worden.
Anders erging es Sarah Akanji. Die 25-Jährige ist die Kapitänin der Frauenmannschaft des FC Winterthur. Aufgrund ihrer nigerianischen Wurzeln war sie schon häufiger rassistischen Beleidigungen ausgesetzt. Meistens wurde sie als Kind auf dem Spielfeld von gegnerischen Spielern und Spielerinnen beleidigt.
Ein Gefühl der Einsamkeit
Als sie noch mit den Männern spielte, zielten die Diskriminierungen allerdings mehr auf ihr Geschlecht als auf ihr Äusseres. Bei der jungen Frau hinterliessen rassistische Beleidigungen ein Gefühl der Einsamkeit. Ein Gefühl der Ausgrenzung.
Als sie erwachsen wurde, verschwanden diese Beleidigungen. Sie selbst hat in den letzten Jahren im Fussball keine rassistischen Äusserungen mehr erdulden müssen.
Doch Sarah Akanji sagt deutlich: «Es ist ein Thema!» Die Leute dürften die Augen nicht verschliessen.
Naziparolen und Hitlergrüsse
Ganz anders sah die Situation früher aus. In den 1980er-Jahren waren viele Neonazis in den Schweizer Stadien. Naziparolen und Hitlergrüsse waren auf den Tribünen nicht selten.
Das hat viele Fans eingeschüchtert. Viele Familien gingen nicht mehr ins Stadion.
Urs Frieden und die Fanarbeit
Urs Frieden ist leidenschaftlicher Fan der Berner Young Boys. Als in den 1980er-Jahren im Stadion Wankdorf immer mehr Nazis zu den Spielen kamen, beschloss er, etwas dagegen zu unternehmen.
Er gründete den Verein «Gemeinsam gegen Rassismus» und später das internationale sowie das schweizerische Netzwerk «Football Against Racism» (FARE) und die Fanarbeit Bern. Das Ziel war, eine durchmischte Gesellschaft und Familien wieder in die Stadien zu bringen.
Die Masse macht's
«Das Fussballstadion ist für Rassismus besonders anfällig», sagt Urs Frieden. Dafür sieht er mehrere Gründe. Im Stadion würden viele Menschen zusammenkommen. Das ermöglicht einerseits eine Gruppendynamik.
Andererseits biete die Masse ein Podium für Menschen, die ihre negativen Botschaften verbreiten möchten. Hinzu kommt der Alkohol, der Provokationen befördere.
Frieden ist auch überzeugt, dass mehr Frauen unter den Besuchern die Stimmung verbessern würden. Nach wie vor ist die Mehrheit der Fans im Stadion männlich.
Wachsam bleiben
Der Rassismus im Stadion tritt wellenartig auf und flacht dann wieder ab. Ein Blick auf das letzte Jahr zeigt das anhaltende Potential für Rassismus in unseren Stadien.
Spiel FC Basel – FC Zürich, 9. Dezember 2018: Ein FCZ-Fan warf dem dunkelhäutigen Basler Spieler Aldo Kalulu eine Banane vor die Füsse. Zwei Wochen später meldete sich der Werfer beim «Blick». Er entschuldigte sich und betonte, kein Rassist zu sein. Die Banane habe er versehentlich auf das Spielfeld geworfen.
«Ein permanenter Aufwand»
Ein weiteres Beispiel ereignete sich im März dieses Jahres, als Thomas Haller starb, ein Fan des FC Chemnitz. Haller war ein bekannter deutscher Hooligan und Neonazi.
Zu seinem Gedenken spannte eine Fangruppierung des Grasshopper Clubs Zürich ein Banner auf: «Ruhe in Frieden Thomas». Diese Solidarisierung mit dem ehemaligen Neonazi sorgte in den Sozialen Medien und der Presse für grosse Empörung.
Zwar ist nach den beiden Ereignissen der Rassismus nicht in die Stadien zurückgekehrt. Aber sie zeigen, dass Rassismus in den Fussballstadien nach wie vor auf fruchtbaren Boden treffen und aufkeimen kann.
«Ein Stadion antirassistisch oder auch gewaltfrei zu halten, ist ein permanenter Aufwand», sagt Urs Frieden. Für ihn und seine Kollegen der Fanarbeit bedeutet das: Wachsam bleiben.