Das Wichtigste in Kürze
- Der Extrembergsteiger Messner ist auch Romanautor. In seinen Büchern zeigt sich auch sein Blick auf die Gesellschaft.
- Messners Blick auf das Leben ist bestimmt von der Überwindung des Todes.
- Für Messner hat die Politik den Bürgern zu viel Verantwortung abgenommen. Er plädiert für mehr Eigenverantwortung.
Er besteigt alle 14 Achttausender der Welt. Er friert sich auf seinen Expeditionen sieben Zehen ab. Er lotet immer wieder die eigenen Grenzen aus – und überschreitet sie. Reinhold Messner lebt ein extremes Leben und verkörpert damit einen Gegenentwurf zur nach Sicherheit strebenden Gesellschaft: «Im Widerstand gegen den Tod erfahren wir Menschen erst unser Menschsein.»
Messer kennt die Bedeutung dieses Satzes. Nicht selten kommt er auf seinen Expeditionen dem Tod nahe: «Das Sterben war eine Selbstverständlichkeit geworden», schreibt er in seiner Autobiographie. Es sei sogar ein «erlösendes Erlebnis.»
Die Überwindung des Todes
Es sei sogar eine Erlösung, sich in den Tod fallen zu lassen, weiss Messner – jedoch nicht im religiösen Sinne. Eher praktisch. Das Leben ist zu Ende. Die Energie ist aufgebraucht. Es gibt keine Hoffnung mehr. Denn: «Solange man das Leben retten kann, hängt man mit allen Fasern, mit dem Willen am Leben.»
Wer den Tod überwindet, erfahre durch diese Grenzerfahrung eine Wiedergeburt. Sie tritt für Messner ein, wenn der Mensch es schafft, wieder vom Berg herunterzukommen. Ob mit oder ohne Erfolg. «Der Selbsterhaltungstrieb wird kurz unterbrochen. Die Belohnung ist ein neues, ganzes Leben, das vor uns liegt.» Messner schliesst dabei einen Wiederholungszwang nicht aus.
«Wenn ich das überlebe, kann mir nichts passieren.»
Messner beschreibt sich selbst als vorsichtigen, ängstlichen Menschen, der sich nach Sicherheit sehnt. Aber diese Sicherheit sucht er nicht in der menschlichen Gemeinschaft oder der Zivilisation. Er sucht sie in der eigenen Stärke, in der Unabhängigkeit, der Autarkie. Nach dem Motto: «Wenn ich das überlebe, kann mir nichts passieren.»
Diese innere Sicherheit nennt er «Selbstermächtigung» und holt sie sich in der Wildnis – da, wo der Mensch nicht zu Hause ist. Er kommt zur Einsicht, dass «alle Wüsten dieser Welt zuletzt immer in uns selbst drin liegen.» Damit kritisiert er das heutige – und seiner Meinung nach falsche – Sicherheitsdenken.
«Die Wohlfahrtsdemokratie ist eine Sackgasse»
In seiner Autobiographie schreibt er, «die Politik hat den Bürgern zu viel Verantwortung abgenommen» und meint, «die Wohlfahrtsdemokratie ist eine Sackgasse.» Messner ist überzeugt, dass der Mensch in der Zivilisation verlernt habe, zu leben, weil er dem Tod aus dem Weg gehe.
Auch das Vertrauen gehe in der westlichen Welt verloren: in die Wirtschaftsführer, in die politischen Eliten und in die Medien. Und dies sei so, «weil die Empathie zwischen der Elite und den einfachen Leuten fehlt.» Davon handelt auch sein neuestes Buch «Wild».
Vertrauen existiert nur in der Kleingruppe
Anhand der Hauptfiguren Ernest Shackelton und Frank Wild veranschaulicht er, wie das Vertrauen im kleinen Kreis weiterhin funktionieren kann: Auf einer Expedition in die Antarktis erleiden die Shackelton und Wild zusammen mit anderen Schiffbruch.
Ernest Shackelton verlässt die Gruppe, um Hilfe zu holen. Frank Wild gibt er eine Aufgabe: «Du bist der Einzige, der diese Männer am Leben erhalten kann.» Wild erfüllt seinen Auftrag, indem er in den Männern den Glauben auf Rettung aufrechterhält. Dieses Vertrauen gedeihe jedoch nur in kleinen Gruppen, meint Messner.
Für Messner stellt sich daher die Frage, wie wir angesichts der zunehmenden Globalisierung und Vernetzung das Vertrauen in unsere Umwelt nicht verlieren. Denn darauf kommt es an, ob auf einer gefährlichen Expedition in der Antarktis oder im Büro.
Sendung: SRF 1, Sternstunde Philosophie, 3.12.2017, 11:00 Uhr,