Ob die Kirche aus der Schule verdrängt werde, fragte die Basler Zeitung kürzlich provokant. Das wäre zu viel gesagt. Dennoch haben die Kantonalkirchen mancherorts Mühe, genügend Nachwuchs zu finden. Das bestätigt etwa Pfarrer Roland Dobler von der Fachstelle Unterricht der evangelisch-reformierten Kirche Baselland. Für die vielen Pensionierungen – Stichwort Babyboomer – käme zu wenig Nachwuchs nach.
Fehlende Bildung
Liegt der Fachpersonenmangel für kirchlichen Religionsunterricht auch daran, dass sich immer weniger Menschen für die Kirche interessieren? «Das mag ein Grund sein – aber nicht der Hauptgrund», antwortet Thomas Schlag, Professor für Praktische Theologie. Religiöse Bildung ist eines seiner Schwerpunkt-Themen. Er ist überzeugt, dass zumindest die reformierten Kirchen zu wenig darin investierten.
Die Universität Zürich führte 2021 bis 2023 die Studie «Kirchliche Bildung mit Kindern und Jugendlichen weiterentwickeln» durch. Diese habe, so Thomas Schlag, deutlich gezeigt: Kirchlicher Religionsunterricht sei «kolossal wichtig» dafür, dass Menschen überhaupt noch eine Bindung zu den christlichen Kirchen aufbauen und eine Vorstellung von christlichen Glaubensinhalten entwickeln.
Es brauche möglichst viele «Kontaktmöglichkeiten» an möglichst vielen Orten, so Thomas Schlag weiter. «Und kirchlicher Religionsunterricht ist genau so eine Möglichkeit.»
Verpasste Chance
Doch Bildung sei in den letzten Jahrzehnten von den Landeskirchen «stiefkindlich» behandelt worden. Auf der kirchlichen Agenda stünden zuerst Gemeindeentwicklung, Seelsorge, Gottesdienste.
Da hätten die Kirchen etwas verpasst. Ganz konkret, meint Thomas Schlag, könne ein grosses religionspädagogisches Institut Kräfte bündeln, gemeinsame Standards entwickeln und den Beruf des Religionslehrers und der Religionslehrerin aufwerten. Eine Idee, die es immer wieder gegeben habe, die jedoch nie umgesetzt worden sei. «Nun fällt uns das Problem vor die Füsse», so Schlag.
Auf römisch-katholischer Seite gibt es allerdings das Religionspädagogische Institut (RPI) in Luzern, das Nachwuchs ausbildet. Und die modular aufgebaute Ausbildung «Formodula» bietet für die ganze Deutschschweiz die Weiterbildung zur Katechetin und zum Katecheten an. Ein gemeinsames, ökumenisches Institut, wie Thomas Schlag es für sinnvoll erachten würde, gibt es aber nicht.
Auf regionaler Ebene spannen die Konfessionen aber zusammen: In Basel-Stadt beispielsweise haben die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Kirche jeweils ein «Rektorat für Religionsunterricht» gegründet. Die Rektorate planen und organisieren gemeinsam den ökumenischen Religionsunterricht.
Engpässe hätten sie keine, sagt Ursula Schubert des evangelisch-reformierten Rektorats. Und: Der Religionsunterricht sei «erfolgreich» – 65 bis 70 Prozent aller Primarschülerinnen und Primarschüler besuchten ihn.
Unterricht ohne Leistungsdruck
Trotz aller Kritik an den vielen unterschiedlichen und oftmals weithin recht unbekannten Ausbildungswegen reformierterseits ist Thomas Schlag von der Qualität des Unterrichts überzeugt – das habe auch die Studie gezeigt.
Im kirchlichen Religionsunterricht gehe es nicht um «Indoktrination», sondern vielmehr darum, einen Raum für grosse, existenzielle Fragen zu öffnen. Es gehe um den Dialog miteinander, jenseits von Leistungsdruck. Diesen Raum weiterhin anzubieten sei höchst sinnvoll – und sollte den Kirchen auch finanziell etwas wert sein.