Auf dem Marsfeld von Paris, wo heute der Eiffelturm steht, knüpfen die olympischen Wettbewerbe an eine Tradition an. Bereits in den 1790er-Jahren, rund um die Französische Revolution, fanden bei mindestens drei «Revolutionsfesten» Wettkämpfe statt.
«Manche Quellen berichten, dass bis zu 300'000 Zuschauer dabei gewesen sind», sagt der Politikwissenschaftler Martin Krauss. «Die Menge soll so begeistert gewesen sein, dass sie einige Wettbewerbe stürmte.»
Sportliche Teilhabe
Die «Revolutionsfeste» waren eine Mischung aus Kundgebungen, Jahrmärkten und Wettkämpfen. Es wurden Pferderennen, Laufwettbewerbe oder Ringkämpfe dokumentiert, auch Tänze, das Schiessen auf Lebensmittel oder das Klettern an rutschigen Stangen.
Als Sensation galten Heissluftballons, aus denen Männern aus 1000 Metern Höhe mit Fallschirmen heruntersprangen. «Die Menschen haben sich nicht nur für ihre politische Teilhabe eingesetzt, sondern auch für ihre sportliche Beteiligung», sagt Martin Krauss, Autor des sporthistorischen Buches «Dabei sein wäre alles».
Eine neue Pistole für den Sieger
Aus Zeitzeugenberichten geht hervor, dass die Teilnehmenden wohl aus allen Milieus kamen. Auf der Laufstrecke traten Grafen gegen Unteroffiziere an. An einem anderen Rennen beteiligten sich Barbiere und Arbeiterinnen aus einer Brauerei. Im Ringen waren ein Metzger und ein Hutmacher erfolgreich.
Es gab auch Wettbewerbe für behinderte Menschen, die damals als «Krüppel» bezeichnet wurden. Die Gewinner konnten sich über neue Pferde und Pistolen freuen, über Säbel und Vasen. Es waren Spektakel, die einige Historiker später unter dem Titel der «Republikanischen Olympiade» zusammenfassten.
Elitäres Olympia
Aber ist der kulturelle Hinweis auf Olympia gerechtfertigt? Bei den ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, 1896 in Athen, gingen 241 Sportler an den Start, weisse Europäer und Amerikaner mit europäischer Herkunft, überwiegend christlich, keine Frauen.
«Olympia war ein elitärer Klub von Adligen und Grossbürgern», sagt der britische Soziologe David Goldblatt. «Der Ethos englischer Privatschulen wurde in die Welt getragen. Auch Sport sollte den Charakter junger Männer formen, um über ein Imperium zu herrschen.»
Die Olympischen Spiele entwickelten sich zum wichtigsten Sportereignis der Welt. Die «Republikanische Olympiade» dagegen ging fast vergessen. Forscher wie David Goldblatt und Martin Krauss finden das schade. In ihren Büchern erinnern sie an die Siegesparaden von Paris.
Die Sportler trugen Lorbeerkränze und wurden auf dem Marsfeld von einer Militärkapelle begleitet. Eine Neuerung in Paris: Erstmals kamen auch metrische Systeme zum Einsatz. Mithilfe des französischen Astronomen Alexis Bouvard sollten die Zeiten von Läufern und Rennpferden gemessen werden. Ein wichtiger Unterschied zu den sportlichen Dorffesten und Jahrmärkten aus dem Mittelalter.
Spuren verblasst
Doch schon bald mussten die Anliegen der Französischen Revolution in den Hintergrund treten. Napoleon Bonaparte griff nach der Macht und krönte sich 1804 selbst zum Kaiser. Auch an demokratische Wettbewerbe war nicht mehr zu denken.
In diesem Sommer nun, mehr als 220 Jahre später, kehrt der Sport mit den Olympischen Spielen auf das Marsfeld von Paris zurück. Die Spuren der «Revolutionsfeste» sind jedoch verblasst.