Manche meinen, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, wenn ein Seelsorger an ihr Spitalbett tritt. «Aber nein», lacht Diakonin und Spitalseelsorgerin Susanne Cappus.
Sie sei «durchaus fürs Leben» und mit ihr könne man auch über anderes reden – etwa über Bondfilme oder englische Krimis.
Voraussetzung: Studium und krisenerprobt
Humor, Offenheit und eine professionelle Haltung gehören zu dem, was eine Spitalseelsorgerin heute mitbringen muss – plus Theologiestudium, Berufs- und Krisenerfahrung.
Die Christkatholikin Susanne Cappus gehört zu den ersten, welche die ökumenische Weiterbildung in Spitalseelsorge an der Universität Bern durchlaufen haben. Der neue zweijährige Lehrgang CAS in Spital- und Klinikseelsorge setzt hohe Standards für diesen Berufszweig: Fachkompetenz in Gesprächen, in Krisenintervention, beim Begleiten Trauernder und Wissen über das Schweizer Gesundheitswesen gehören dazu.
Einfach mal Frust ablassen
Professionelle Seelsorge soll zeitgemäss sein, darum sind die Seelsorgenden auch interreligiös geschult. Wenn jemand ein Ritual einer anderen Religion wünscht, organisiert auch das die Spitalseelsorge. Susanne Cappus praktiziert das alles am Spital Dornach (SO).
Sie weiss: «Manchmal müssen sich Menschen mit einer schweren Diagnose erstmal auskotzen.» Dafür sei sie gerne da.
Cappus' Arbeit entlastet das restliche Spitalteam, erklärt Pflegefachfrau Eveline Gamboni. «Ich kann beruhigt schlafen, wenn ich weiss, Frau Cappus schaut zu den Patienten.» Das medizinische und Pflegepersonal hat nicht nur keine Zeit, solche Gespräche zu führen. Es hat auch nicht die Ausbildung für Krisengespräche.
Die Fragen, die eine Ärztin stellt, zielen auf die speditive Behandlung des medizinischen Problems. Die Biografie des Patienten kann sie im stressigen Notfall nicht einbeziehen in die Anamnese. Im Seelsorgegespräch ist das umgekehrt.
Seelsorgerin als Teil des Care Teams
Weil die Seelsorgerin über andere Themen mit den Patienten sprechen kann, findet sie zusammen mit den Patientinnen mitunter sogar Ursachen für ein Leiden.
Diakonin Cappus erzählt von einem Patienten, der nicht mehr essen wollte – wofür es aber keinen medizinischen Grund gab: «Der Witwer schwärmte, wie er stets mit seinem Nachbarn nett gekocht habe. Dieser sei leider nun verstorben. Da habe es angefangen mit der Appetitlosigkeit.» Der Mann war einverstanden, dass die Seelsorgerin und die Spitalverantwortlichen einen Mittagstisch-Platz für ihn organisierten.
Solche interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Seelsorge und Spital ist relativ neu. Sie geschieht unter Wahrung des Seelsorge- und Ärztegeheimnisses.
Die Dornacher Spitaldirektorin Irene Wyss bestätigt, dass diese Teamarbeit einen entscheidenden Mehrwert für alle bringt. Die Seelsorgespräche bewirkten Entspannung und Beruhigung bei Patientinnen ebenso wie beim Klinikpersonal.
Über Karma reden? Kein Problem
Auf Wunsch holt Spitalseelsorgerin Cappus auch Sozialarbeit und Psychotherapie mit an Bord – oder sie zieht Imame, Priester oder Rabbiner bei.
«Ich traf einmal einen jüdischen Buddhisten, woraufhin ich mich eingelesen habe zum Thema Karma und Seelenwanderung», so Susanne Cappus.
In der besten aller Spitalwelten ist die Seelsorgerin Teil des Spitalteams und die Seelsorge ist, wie Notfallarzt Tobias Hoffmann dankbar ausdrückt: «Teil des Puzzle unseres ganzheitlichen Ansatzes in der Behandlung unserer Patientinnen und Patienten».
«Wenn sie das wollen», betont Susanne Cappus, «sage ich den Patienten manchmal auch, dass ich die Einzige bin, die sie auch rauswerfen dürfen.» Doch das kommt selten vor.