Naht das Lebensende, beginnen viele, sich eingehend mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Der Wunsch, sich mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger auszutauschen, wächst. In Schweizer Altersheimen stellen die Verantwortlichen fest, dass vermehrt nicht nur christliche Geistliche gefragt sind, sondern auch die Unterstützung eines Imams, einer Rabbinerin oder Hindupriesters.
Die Universität Bern hat auf diese Nachfrage reagiert. Das Institut für Praktische Theologie bietet seit dem Sommer eine Ausbildung für interreligiöse Seelsorgerinnen und Seelsorger an. Es handle sich um ein «europaweit einmaliges Ausbildungsprogramm».
Einer, der sich ausbilden lässt, ist Hindupriester Tharmalingam Sasikumar. Seit 32 Jahren lebt der gebürtige Tamile in der Schweiz. Er amtet ehrenamtlich als Priester. Als Seelsorger ist er in Gefängnissen unterwegs, häufig aber auch an Sterbebetten, in Spitälern oder Altersheimen.
Seine spirituellen Dienste seien gefragt wie noch nie: «Fast 10'000 pensionierte Tamilinnen und Tamilen leben in der Schweiz», erzählt er. «Diese leben – anders als in ihrer Heimat – im Alter häufig alleine und werden nicht ausschliesslich von den eigenen Kindern betreut.»
Mit der Einsamkeit im Alter kommen seine Landsleute oftmals nicht gut zurecht – sie suchen bei Tharmalingam Sasikumar Hilfe. Der Seelsorger und Hindupriester ist nicht nur spiritueller Begleiter – sondern auch Vermittler: zwischen den älteren Leuten, den Familienmitgliedern sowie den Pflegern und den Leiterinnen von Spitälern und Altersheimen. Es geht um Rituale, die hierzulande eher ungewöhnlich sind.
Beispielsweise verabreichen Angehörige sterbenden Menschen Milch oder heiliges Wasser. Daran mussten sich die Leute in Schweizer Institutionen zuerst gewöhnen.
Die Institutionen werden offener – und holen uns Seelsorger schneller als früher.
In Sri Lanka ist es auch Brauch, Verstorbene auf einen Stuhl zu setzen und von Kopf bis Fuss zu waschen. Das sei in Schweizer Spitälern nicht möglich, sagt Tharmalingam Sasikumar. Deshalb hat er dieses Ritual auf Schweizer Verhältnisse adaptiert. Er stellt jeweils hinter den Sarg einen Spiegel. Dadurch kann das «Spiegelbild» des Verstorbenen gewaschen werden.
Was hierzulande jeweils üblich ist und was nicht, ist unter anderem Teil der Ausbildung. Auch der intensive Austausch mit den Gläubigen wird thematisiert. So sind etwa Gesprächstechniken Thema. «Das gibt mir Sicherheit», sagt Tharmalingam Sasikumar.