Frauen, die ein EM-Spiel im Fernsehen live kommentieren? Davon sind wir noch weit entfernt. Es gibt zwar Fussball-Expertinnen, die in der Pause oder nach Spielende Einschätzungen abgeben. Ansonsten aber ist Fussball-Berichterstattung immer noch eine Männerdomäne.
Dass der Gender-Gap bei Sport- und Wirtschaftsthemen besonders hoch ist, belegt auch eine neue Studie der Universität Zürich. Diese hat untersucht, wie präsent Frauen in der Berichterstattung von Schweizer Medien sind und zeigt: Ein gesellschaftliches Engagement wie der Frauenstreik von 2019 hat durchaus seine Wirkung.
SRF: Was ist die wichtigste Erkenntnis aus der Studie?
Lisa Schwaiger: Seit 2015 hat sich kaum etwas verändert. Der Gender-Gap ist sehr stark ausgeprägt – in allen Themenbereichen, in allen Medientypen und über alle Sprachregionen hinweg.
Frauen sind deutlich untervertreten in der Berichterstattung. Ist das vom Thema abhängig?
Der Gender-Gap ist in allen Themen sehr stark ausgeprägt. Aber ganz besonders stark in den Bereichen Sport, Wirtschaft und Politik.
Wenn Berichte von Journalistinnen und Journalisten selbst geschrieben werden, ist der Gender-Gap sehr viel weniger ausgeprägt, als wenn Agenturmeldungen direkt übernommen werden.
Wodurch erklären Sie sich das?
Themen wie Wirtschaft und Sport sind auch in unserer Gesellschaft stark männerdominiert und werden mit Männern assoziiert. Die Medien spiegeln diese gesellschaftlichen Strukturen wider.
Werden Frauen in der Berichterstattung in anderen Rollen dargestellt als Männer, sprich: Treten Männer beispielsweise eher als Experten auf, Frauen eher als Betroffene?
Wir sehen tatsächlich auch in den Rollen grosse Unterschiede. Frauen werden sehr viel seltener als Expertinnen oder Sprecherinnen von Organisationen genannt als Männer. Sie werden dafür häufiger in privaten Kontexten dargestellt.
Der Frauenstreik vor zwei Jahren hatte einen Effekt: 2019 war das einzige Jahr in der Zeitspanne von 2015 bis 2020, in dem der Gender-Gap weniger ausgeprägt war.
Wo sehen Sie die Ursachen für diese Schieflage?
Eine Ursache sind sicher die gesellschaftlichen Strukturen hinsichtlich der Gleichstellung. Aber wir haben auch herausgefunden, dass journalistische Ressourcen ein wichtiger Hebelarm sind für die gleichberechtigte Darstellung: Wenn Berichte von Journalistinnen und Journalisten selbst geschrieben werden, ist der Gender-Gap sehr viel weniger ausgeprägt als wenn beispielsweise Agenturmeldungen direkt übernommen werden.
Das heisst, wenn Zeit investiert werden kann, können Redakteure auch Expertinnen recherchieren und vor allem selbst entscheiden, welche Akteure oder Akteurinnen sie zu Wort kommen lassen.
Medienhäuser sollten ein Gender-Monitoring einsetzen: eine regelmässige Analyse, wie die Darstellung von Frauen und Männern in den Medien ist.
Beim Frauenstreik vor zwei Jahren war die Repräsentation von Frauen in Politik, aber auch in den Medien ein grosses Thema. Hatte diese Debatte keinen Effekt?
Das ist spannend: Der Frauenstreik-Tag vor zwei Jahren hatte sehr wohl einen Effekt. 2019 war das einzige Jahr in der Zeitspanne von 2015 bis 2020, in dem der Gender-Gap weniger ausgeprägt war. Die leichte Verbesserung hat sich aber bereits im Jahr 2020 wieder verflüchtigt. Für uns ist dies ein Zeichen, dass sich Engagement in der Gesellschaft auszahlt.
Nebst mehr Zeit in die Recherche zu investieren: Was lässt sich noch unternehmen, damit Frauen und Männer gleichwertig repräsentiert werden?
Ich würde anregen, dass Journalistinnen und Journalisten darauf achten, dass sie Frauen bewusst mehr zu Wort kommen lassen, so dass Frauen sichtbarer werden.
Zusätzlich wäre es empfehlenswert, dass Medienhäusern ein Gender-Monitoring einsetzen: eine regelmässige Analyse, wie die Darstellung von Frauen und Männern in den Medien ist. So wird man auf journalistische Routinen aufmerksam, die zu einem Missverhältnis führen können.
Das Interview führte Katrin Becker.