Warum sind Frauen in akademischen Spitzenpositionen nach wie vor stark untervertreten? Dieser Frage gingen Wirtschaftsprofessorin Margit Osterloh und Soziologin Katja Rost in einer Studie nach. Dafür befragten sie 9000 Studierende an der ETH und der Universität Zürich.
Die Ergebnisse hätten Osterloh «schlichtweg umgehauen»: Die meisten Studentinnen haben keine Lust auf Karriere.
SRF: Frau Osterloh, Sie haben erwähnt, dass Sie nicht mit diesem Studienergebnis gerechnet haben. Was hat Sie am meisten überrascht?
Magrit Osterloh: Wir haben nicht erwartet, dass bei einem jungen akademischen Publikum die Einstellung zur Familie und zum Beruf doch sehr konservativ ist.
Wie erklären Sie die geringen Karriereambitionen bei den meisten Studentinnen?
Da gibt es verschiedene Erklärungsmodelle. Manche sagen, es sei biologisch. Ich glaube da weniger dran. Manche sagen, es sei das sogenannte Gender Equality Paradox. Das bedeutet: Je wohlhabender ein Land ist, desto mehr entwickeln sich die Präferenzen der Geschlechter wieder auseinander.
Ich stelle mir vor, dass diejenigen, die einen männerdominierten Studiengang wählen, von vornherein ambitionierter sind.
Dann könnte es auch ein Effekt des sogenannten Gendermarketings sein. Es wird noch weitere Forschung zu den Ursachen nötig sein.
Frauen in frauendominierten Studiengängen, etwa Psychologie, Tiermedizin oder Soziologie, sind eher dem traditionellen Familienbild zugeneigt. Frauen in männerdominierten Fächern haben dagegen grössere Karriereambitionen. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?
Ich stelle mir vor, dass diejenigen, die einen männerdominierten Studiengang wählen, von vornherein ambitionierter sind, dass sie auch wissen, worauf sie sich einlassen. Es ist ein sogenannter Selbstselektionseffekt, der erklärt, dass sie die anspruchsvolleren und vielleicht auch schwierigeren Studiengänge wählen.
Entscheiden sich Studierende heute eher für Sicherheit statt Selbstverwirklichung?
Es könnte durchaus sein, dass diejenigen Studentinnen, die frauendominierte Studiengänge wählen, genau deswegen diese Studiengänge wählen. Weil sie sich selbst verwirklichen wollen in ihrer weiblichen Rolle, was durchaus nachvollziehbar wäre.
Karriere und Kinder – eine ganz schöne Herausforderung. Hat diese Doppelbelastung einen Einfluss auf die Entscheidungen der Studentinnen?
Bestimmt gibt es einen Zusammenhang. Bloss diejenigen Frauen, die einen männerdominierten Studiengang wählen, sind offensichtlich bereit, diese Doppelbelastung auf sich zu nehmen.
Man muss sich fragen, ob man auf Biegen und Brechen den Frauenanteil bei den Professorinnen erhöhen muss.
Es könnte auch sein, dass sie das einfach besser mit ihren Partnern zusammen organisieren, weil sie eine andere Vorstellung vom Familienleben haben, und davon, wie man dieses zusammen organisieren kann.
Was ist Ihr Vorschlag, damit in Zukunft mehr Frauen Professorinnen werden?
Zunächst mal muss man nach unseren Ergebnissen fragen, ob das überhaupt wünschenswert ist. Wenn die Frauen einen solchen Lebensweg wählen, muss man sich fragen, ob man jetzt auf Biegen und Brechen den Frauenanteil bei den Professorinnen erhöhen muss, insbesondere in den frauendominierten Studiengängen. Vor allem, wenn die Frauen mit ihrem Lebensweg durchaus zufrieden sind, wie die Glücksforschung zeigt.
Auch in diesen Studiengängen gibt es hochambitionierte Frauen. Es ist ja nicht so, dass wir dort keine Professorinnen haben, ganz im Gegenteil. Es sind bloss prozentual weniger als bei den männerdominierten Studiengängen.