Eine Frau studiert und ist selbständig. Kommt der Partner dazu, steht die Familienplanung an – sie kümmert sich um die Kinder und hängt die Karriere an den Nagel.
Frauen diskriminieren sich selbst
Der neuen Studie zufolge sei dies von vielen Frauen gewollt. «Tagesanzeiger»-Co-Resortleiterin für Leben, Michèle Binswanger, hat sich in einer Kolumne in die Diskussion eingebracht – ihr Titel: Frauen diskriminieren sich auch selbst. Das sei natürlich etwas zugespitzt formuliert, sagt sie.
Doch: «Wenn man immer sagt, alle anderen sind schuld und die können gar nichts dafür, dann nimmt man auch den Blick darauf, dass man eben sehr wohl etwas machen kann.» Mit der Geburt der Kinder hätten die Entscheidungen deshalb noch sehr lange Auswirkungen, besonders wenn man aus dem Berufsleben aussteige.
Strukturen erschweren Karriere
Auch Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin der Alliance F, des grössten Frauendachverbands der Schweiz, hat sich mit der Aussage der noch nicht publizierten Studie beschäftigt – und hinterfragt sie. Dass es am Wollen der Frau liegen soll, sieht die GLP-Nationalrätin nicht. «Wir haben Strukturen, die es erschweren, dass man beruflich die Erwerbspensen erhöhen kann oder zwei Personen in einer Familie mit Kindern hochprozentig Karriere machen können.»
Ausserdem gebe es Strukturen, die keine paritätische Elternzeit kennen oder zu wenig erschwingliche Kinderbetreuungsinfrastruktur hätten. «Und wir haben ein Steuersystem, das Anreize setzt, dass man weniger und nicht mehr arbeiten sollte», ergänzt Bertschy.
Wollen Frauen Karriere machen?
Besonders heiss diskutiert: Frauen, die sich aus dem Berufsalltag zurückziehen, bringen der Wirtschaft zu wenig. Ist es denn schlimm, wenn man keine Karriere machen will und sich mehr auf die Familie konzentriert? «Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass das nicht dem Wunsch der Frauen entspricht», sagt Bertschy.
Es gebe Zahlenmaterial vom Bundesamt für Statistik (BFS), das zeige, dass 15 Prozent der Mütter mit Kindern unfreiwillig unterbeschäftigt seien und gerne mehr arbeiten würden. «Das können sie aber nicht vereinbaren, weil die Kinderbetreuung nicht vorhanden oder nicht erschwinglich ist.»
Binswanger beantwortet die Frage aus einer anderen Perspektive: «Wenn jemand wirklich erfüllt ist im Mutter sein und Care-Arbeit leisten, dann soll sie das machen können. Aber es ist gut sich vor Augen zu führen, dass das nicht ewig vorhalten wird und man sich sehr abhängig macht.»
Studie irritiert Verbände und Forschungswelt
Frauen in der Arbeitswelt – oder doch lieber daheim? Die Frage polarisiere, bestätigt Binswanger. «Was machen wir mit unseren Kindern und wie gehen wir mit ihnen um? Gerade in der Schweiz, das in der Familienfrage sehr konservativ ausgerichtet ist, zeigen sich starke geprägte Muster.»
Für Kathrin Bertschy kommt die aktuelle Studienlage auf andere Schlüsse. «Die Forschungswelt als auch wir Verbände sind irritiert, weil die bisherige Studienlage zeigt, dass Frauen zwar ein bisschen weniger Karriere orientiert sind. Doch sie fragt nach den Gründen und kommt zum Schluss, dass wir mangelhafte Strukturen haben.»
Wie sollen und wollen wir leben: mit Karriere, mit Kindern? Es ist eine Frage mit vielen möglichen Antworten und definitiv eine, die polarisiert.