Es führt kein Weg an ihnen vorbei. Ob beim Bäcker, im Büro oder in Bars: Menschen mit Jogginghosen sind überall anzutreffen. Ob der Look lässig oder zu leger daher kommt, ist Ansichtssache. Tatsache ist: Trainerhosen, wie sie hierzulande meist heissen, sind im Trend.
Richtig angekommen im Alltag sind die Jogginghosen seit der Corona-Pandemie, weiss Modeexperte Jeroen von Rooijen. Die meisten Menschen hätten es ihm Lockdown lockerer genommen: «Über das Untenrum waren Arbeitskollegen in Zoom-Calls nicht im Bilde», so van Rooijen.
Nach Corona ist die Jogginghose geblieben. Ein Outfit-Basic, bei vielen beliebt wie nie – und ein gutes Geschäft.
Sportliche Anfänge
Die Anfänge der Jogginghose liegen in Frankreich. Der Franzose Émile Camuset, Gründer des französischen Sportmarke Le Coq Sportif, wollte eine Hose für Sportler kreieren, die vor allem eines sein sollte: komfortabel. Die Jersey-Hose wurde zur Standardwahl für Sportler.
Zur Hose kam später das Oberteil dazu. Camuset schuf den sogenannten «Sonntags-Anzug»: ein entspanntes Outfit für den Ruhetag zu Hause oder für den Sport. Kult wurde die Kombination aber erst in den 1960er-Jahren, als Adidas seinen Trainingsanzug auf den Markt brachte: Fussballer Franz Beckenbauer – damals noch kein «Kaiser» – krönte den Anzug zu seinem liebsten Trainings-Accessoire.
Bereit für den Alltag
Die Jugendkultur befreite die Jogginghose in den 1960er- und 1970er-Jahren aus der Sportzone. Junge Menschen trugen Jogginghose als subversives Statement: Beinfreiheit wurde zur bequemen Provokation. Doch erst in den 1980er-Jahren, als die halbe Menschheit verrückt nach Fitness war, wurde die Jogginghose allmählich zum breiter akzeptierten Freizeit-Look.
Und auch die Hip-Hop-Szene machte die Sweatpants zum angesagten, aber immer noch subversiven Streetstyle für Bad Boys. Allen voran: die Rapper von Run-DMC, die in ihren Videos Trainerhose trugen.
Jogginghosen: Jeans von heute
«Mittlerweile fällt man nicht mehr auf, wenn man Jogginghose trägt», sagt Jeroen van Rooijen, der auch Mitinhaber des Concept-Stores Cabinet ist. Als «gesetzter Herr über 50», wie er sich sieht, geht er mit dem Trainerhosen-Trend allerdings nicht mehr mit. Zumindest nicht im Ausgang. Er bringe damit höchstens den Müll runter.
Für ihn sei die Jogginghose ein Kleidungsstück, das vor allem die Jugend trägt: «Bei den 15- bis 25-Jährigen ist die Jogginghose epidemisch. Es sind die Jeans von heute.»
Für van Rooijen ist die Jogginghose typisch Generation Z: «Es ist ein Kleidungsstück der Generation Superbequem. Alles muss stressfrei und flexibel sein.» Dieser Wohlfühl-Look: Zeichen des Zeitgeistes.
Das hätten auch Luxus-Labels erkannt, die die Jogginghose zum Must für Modebewusste machen. Models in Jogginghosen sieht man längst auf den Laufstegen – beispielsweise bei Gucci, Dior oder auch Chanel.
Das Leben nicht im Griff?
Klasse hätte das Karl Lagerfeld, bis zu seinem Tod 2019 der kreative Kopf von Chanel, nicht gefunden: «Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren», sagte er 2012 in einem Interview. Sein Fazit – viel zitiert.
So wie Jerry Seinfeld, der in «seiner» Sitcom darüber schnödet, dass sein bester Freund schon wieder Sweatpants trägt: «Du sagst der Welt, dass du aufgibst. Dass du unglücklich bist – und es dir deshalb bequem machen darfst.»
Und so geht es nicht nur Sein- oder Lagerfeld: Die Jogginghose ist für viele der Inbegriff des Sich-Gehen-Lassen. Ein Schlabberhose, mit der man höchstens auf dem Sofa rumhängt. Aber damit raus- oder gar ausgehen, ein seriöses Leben führen? Das sorgt auch an Schulen immer wieder für Diskussionsstoff: Denn sollen sich so die Erwachsenen von morgen auf Berufsleben vorbereiten?
Die Kombination macht’s
Auch wenn er selbst selten Jogginghosen trägt: In die Schublade «unseriös oder unschön» will Jeroen van Rooijen die Jogginghose nicht stecken.
Es käme auf die Kombination an: «Ich mag’s, wenn beim Stylen der Sweatpants einen Bruch gibt.» Durchaus cool könne die Jogginghose etwa mit einem Hemd oder einer Bluse sein.
Eine Schweizer Erfolgsgeschichte
Dass die Trainerhose je nach Kombination durchaus elegant sein kann: Davon ist auch Sandra Pinto, Gründerin des Schweizer Labels Lamarel, überzeugt. Rund ein halbes Jahr tüftelte sie an ihrer Sweatpants rum, die sie dann Prä-Pandemie schon 2019 auf den Markt brachte.
Anfangs sei die Nervosität gross gewesen, aber: «Die ersten Sweatpants waren innerhalb von 24 Stunden ausverkauft.» Ihr Stoff, aber auch der Erfolg der Hose ist nachhaltig: Die Trainerhose ist bis heute Bestseller in ihrer Kollektion: «Trainerhosen sind eben alltagstauglich und zeitlos», so Pinto, die empfiehlt die Trainerhosen gar zu bügeln.
Eine Hose für alle
Und: Die Jogginghose ist ein Teil, das sich perfekt in die Zeit einfügt: «Die Jogginghose kommt wie gerufen, weil sie geschlechtslos ist», so van Rooijen. Jeder und jede kann sie tragen – unabhängig von Gender. Die Jogginghose ist fluide, engt keinen ein.
In einem Artikel über Jogginghosen zitiert die «Zeit» den Fussmattenspruch «Zuhause ist, wo die Jogginghose wohnt». Das Zuhause scheint sich für viele etwas ausgedehnt zu haben. Schön doch, wenn wir uns alle in Gesellschaft etwas entspannter fühlen.