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Taliban und Kulturgüter «Es sind Dschihadisten, die die afghanische Kultur zerstören»

In Bamiyan sollen Taliban-Kämpfer historische Kunstschätze geplündert haben. Das melden Agenturen mit Berufung auf einen afghanischen Archäologen, der dort Ausgrabungen leitete. Paul Bucherer, der sich seit Jahrzehnten mit afghanischer Kultur und Geschichte befasst, relativiert und mahnt zur Differenzierung.

Paul Bucherer

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Paul Bucherer studierte Architektur und reiste für mehrere Forschungsaufenthalte nach Afghanistan, wo er den persischen Dialekt Dari lernte. Zusammen mit seiner Frau gründete er die «Bibliotheca Afghanica», eine Sammlung von Büchern und anderen Dokumenten aus und über Afghanistan. Ende der 1990er-Jahre hat er in der Schweiz das «Afghanistan Museum im Exil» eingerichtet und so Kunstgegenstände vor der Zerstörung gerettet. Alle diese Schätze wurden inzwischen zurückgeführt.

SRF: Müssen wir damit rechnen, dass unter den Taliban in Afghanistan Kulturgüter im grossen Stil geplündert werden?

Paul Bucherer: In Kriegszeiten besteht immer die Gefahr, dass Plünderungen vorkommen. Aber ich glaube nicht, dass dies durch die afghanischen Taliban der Fall sein wird.

In Afghanistan haben wir zwei Gruppen von Taliban: die nationalistischen, patriotischen Taliban und die internationalen Dschihadisten.

Weshalb haben Sie da Zweifel?

Ich zweifle deshalb daran, weil wir in Afghanistan zwei völlig verschiedene Gruppen von Taliban vor uns haben. Einerseits nationalistische, fast patriotische Taliban, die überzeugte Afghanen und stolz auf ihre Kultur und ihre vor-islamische Vergangenheit sind.

Andererseits eine Gruppe von internationalen Dschihadisten, die aus Saudi-Arabien mit sehr strengen wahhabitischen Vorstellungen oder aus Pakistan aus den dortigen Moschee-Schulen stammt. Diese internationalen Dschihadisten haben die Absicht, die afghanische Kultur tatsächlich zu zerstören, um ein Vakuum zu schaffen, in das sie dann ihre eigenen Vorstellungen einpflanzen können.

Also ist nur diese dschihadistische Gruppe der Taliban kulturfeindlich?

Ganz genau. Wir hatten 1998 ein sehr ähnliches Problem, als Osama bin Laden und seine al-Qaida die afghanischen Kulturschätze bedrohte. Die Taliban räumten diese Objekte von einer Ecke in die andere, bis eines Tages keine Ecke mehr vorhanden war, die ihre arabischen Freunde nicht kannten. Dann wandten sie sich an die Schweiz und baten darum, dass diese Kulturgüter in der Schweiz in Sicherheit gebracht würden.

2001 gingen die Bilder um die Welt, wie Taliban Jahrtausende alte Buddha-Statuen in Bamiyan sprengten. Ist das nicht eine Bestätigung der Kulturfeindlichkeit der Taliban?

Da haben Sie recht, aber müssten sagen: Ist dies nicht eine Bestätigung der Kulturfeindlichkeit der dschihadistischen Taliban?

Als ich diese Bilder der zerstörten Buddha-Statuen in Kabul und Jalalabad afghanischen Taliban zeigte, haben sie geweint. Mullah Omar, der damalige Führer der Taliban, hatte auch ein Dekret erlassen zum Schutz dieser Objekte. Er sah in ihnen eine wirtschaftliche Bedeutung für einen zukünftigen, wiedererstarkenden Tourismus.

Drei Frauen laufen im Burka vor einer Ruine in Afghanistan vorbei
Legende: Wo einst zwei Buddha-Statuen standen, klafft seit 2001 eine Leere in der Felswand. Die Statuen wurden damals von den Taliban gesprengt, was für weltweite Aufregung sorgte. Keystone / EPA / S. SABAWOON

Nun kamen Meldungen, dass Taliban-Kämpfer Kunstschätze geplündert haben. Sie sagen, dass Taliban-Kämpfer sich für den Schutz des Nationalmuseums in Kabul einsetzen.

Die Plünderungen in Bamiyan dürften vermutlich das Depot betreffen, das von japanischen Archäologen eingerichtet wurde, um dort alle übrig gebliebenen Fragmente der zerstörten Buddha-Statuen einzulagern. In Kabul dagegen haben die national-gesonnenen Taliban kurze Zeit nach ihrer Machtergreifung bereits Wachen beim Afghanischen Nationalmuseum aufgestellt, um die dortigen Kulturgüter zu bewachen.

Das Gespräch führte Irene Grüter.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 15.9.2021, 8:06 Uhr ; 

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