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Sexualisierte Gewalt: «Ich musste den Täter finden»
Aus Input vom 13.07.2022. Bild: Illustration: Simon Krebs
abspielen. Laufzeit 32 Minuten 18 Sekunden.

Therapie nach Vergewaltigung Dem Trauma ins Auge sehen

Unter den Folgen sexualisierter Gewalt können Betroffene ein Leben lang leiden. Der Traumatherapeut Urs Honauer will diesen Menschen wieder zurück zu ihrer Stärke verhelfen – eine mögliche Therapie ist Somatic Experiencing. Die körperbezogene Methode soll Reaktionen wie Blockaden abbauen und dem Körper die Chance geben, sich zu wehren.

Urs Honauer

Traumatherapeut

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Urs Honauer ist Traumatherapeut und leitet das «Zentrum für Innere Ökologie» in Zürich. Dort bietet er unter anderem Ausbildungen in Somatic Experiencing an.

Honauer hat beim Entwickler von Somatic Experiencing, Peter A. Levine, seine Ausbildung gemacht und davor im Bereich Sozialpädagogik an der Universität Zürich promoviert und einen Master in Psychotraumatologie absolviert.

SRF: Sie arbeiten mit Somatic Experiencing, um Menschen mit einem Trauma zu helfen. Was ist das für eine Therapie?

Urs Honauer: Somatic Experiencing ist ein körperliches Erkunden. Die Methode soll herausfinden, wo im Körper aufgrund von traumatischen Ereignissen Blockaden bestehen.

Wir helfen dem Körper, sich zu regulieren.

Diese zeigen sich etwa durch Schmerzen, Druckgefühle oder Unwohlsein – der Körper ist durcheinander. Beim Somatic Experiencing versuchen wir, die Kraft, die sich gegen den Körper richtet, wieder für ihn zu nutzen.

Somatic Experiencing – eine mögliche Methode

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Die Methode des Somatic Experiencing fokussiert auf die körperliche Aufarbeitung eines Traumas, anders etwa als die Psychotherapie, welche auf die psychische Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt eingeht. Die Methode ist noch wenig erforscht: Soweit gibt es zwei Studien, welche die Wirksamkeit bei posttraumatischen Belastungsstörungen belegen.

Noemi Friedli von Lantana, einer Fachstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt, empfiehlt die Methode, falls der Fokus auf der körperlichen Aufarbeitung liegt. Die Methode könne auch mit einer Psychotherapie kombiniert werden. Nicht bei jedem Betroffenen, jeder Betroffenen wirkt die gleiche Therapie.

Wie machen Sie das genau?

Ich lasse die Person erzählen, wie der Tag verlaufen ist, wann der erste Kontakt mit dem Täter, der Täterin erfolgt ist. Wir schauen, wie der Körper darauf reagiert. Oft reagiert er mit Hitze oder Kälte, weil sich Angst und Panik aufbauen.

An diesen Stationen halten wir an und helfen dem Körper, sich zu regulieren. Je näher wir dem Moment des Übergriffs kommen, desto langsamer werden wir. So bekommt der Körper die Chance, das zu machen, was er damals nicht machen konnte.

Es beginnt also mit eher sanften Signalen wie Hitze oder Kälte – und dann?

Wenn wir dem Übergriff näherkommen, nehmen Angst und Panik zu. Der Körper sendet andere Signale, wie etwa Herzrasen. In solchen Momenten halten wir an.

Wir versetzen die Betroffenen nicht in die gleiche Lage wie damals.

Wir schauen, was das Bild der Situation von damals mit dem Herz macht. Es geht darum zu spüren, wie sich der Herzschlag normalisiert, wenn wir es schaffen, im Hier und Jetzt zu bleiben.

Wie kann man sich die Therapie vorstellen – auf einer Liege?

Um den Betroffenen Sicherheit zu geben, versetzen wir sie nicht in die gleiche Lage wie damals, als es passiert ist. Wenn es um sexualisierte Gewalt geht, arbeiten wir im Somatic Experiencing nicht im Liegen, sondern im Sitzen oder Stehen. Viele wollen nah bei der Tür sein – damals war man weit weg.

Die Betroffenen werden auf körperlicher, muskulärer Ebene wieder ermächtigt.

Wir versuchen, den Reaktionen des Körpers zu begegnen, damit Betroffene sie auf eine gesunde Art ausleben. Bei einem Verteidigungsimpuls zum Beispiel – wenn die Hände dies oder die Füsse das tun wollen – versuchen wir, den Verteidigungsmechanismus abzuholen. Wie in der asiatischen Kampfkunst geben wir mit den Händen einen flexiblen Widerstand, damit die Betroffenen ihre Kraft spüren und sie auf der körperlichen, muskulären Ebene wieder ermächtigt werden.

Wir machen das im Schildkrötentempo. Wir wollen die Kraft nicht einfach nur ausüben, sondern in eine Begegnung bringen, in der Grenzen gesetzt werden. Genau das, das Setzen von Grenzen, wurde beim Übergriff verletzt.

Einige, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, erstarren noch Jahre später in intimen Momenten. Wie arbeiten Sie hier mit den Betroffenen?

Wir versuchen, die Erstarrung spürbar zu machen und den eigenen Körper kennenzulernen: Was macht er in der Erstarrung?

Dafür brauchen wir wieder das Schildkrötentempo: Wir dehnen die Zeit, um zu schauen, was der Körper genau macht, wie lange er in dieser Erstarrung sein will – in der Regel nicht lange. Wir versuchen einen sicheren Raum zu geben, um aus der Erstarrung wieder herauszufinden.

Das Gespräch führte Reena Thelly.

SRF 3, 20.07.2022, 15:50 Uhr ; 

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