«Es ist eine sehr spezielle Situation», sagt Miriam Gehrke. Die evangelisch-reformierte Pfarrerin erzählt von einer Beerdigung, die sie letzte Woche gehalten hat: «Es lag eine Art Teppich zwischen uns. Die Distanz war greifbar. Das ist schwer auszuhalten in einer Situation, in der Nähe so wichtig ist.»
Der Händedruck zu Beginn der Abdankung ist verboten, ebenso eine Umarmung bei einem Trauergespräch: «Wir müssen mit zwei Meter Abstand, rein mit den Augen versuchen, das Herz zu erreichen. Das ist sehr schwer», sagt auch Priester Jean-Pierre Brunner, römisch-katholischer Pfarrer in Naters und Mund.
Doch nicht nur die körperliche Nähe fehlt. «Bei uns im Wallis trauert nicht einfach eine Familie allein, es trauert eine ganze Pfarrfamilie», erzählt Jean-Pierre Brunner. In seinen Abdankungsgottesdiensten sässen jeweils mehrere Hundert Menschen. «Da fühlt sich die Trauerfamilie getragen – beim gemeinsamen Gebet, beim Singen. Das fällt jetzt alles weg.»
Sind würdige Beerdigungen noch möglich?
Der Bund erlaubt zwar «Beerdigungen im engen Familienkreis». Abdankungsfeiern sind also vom Versammlungsverbot ausgenommen. Doch wie genau dieser «enge Familienkreis» ausgelegt wird, bestimmen die Kantone, Bistümer und Landeskirchen selbst.
So gibt es Kirchen, in denenf nur noch fünf Personen erlaubt sind bei der Beerdigung, dafür darf man noch in die Kirche. In anderen Kantonen sind Trauergottesdienste in der Kirche verboten. Am Grab dürfen aber auch einmal zehn bis zwanzig Personen zusammenkommen.
Rituale fehlen
Diese Einschränkungen haben Einfluss auf einen wesentlichen Teil des Abschiednehmens und des Trauerns: die Rituale. «Rituale sind ein zentraler Bestandteil des Trauerprozesses», sagt Trauerbegleiterin Barbara Lehner. Barbara Lehner hat katholische Theologie studiert und sich danach selbstständig gemacht. Mit ihrer Firma «Lebensgrund» begleitet sie Menschen in schwierigen Zeiten.
«Rituale schenken Halt. Sie reduzieren unsere Ohnmacht, weil man etwas tun kann. Und sie schaffen Verbundenheit, weil man nicht allein ist in einer Situation des endgültigen Abschieds», erklärt Barbara Lehner. Das Begräbnis sei dabei zentral, weil es helfe, den Tod zu realisieren und die erste Phase des Trauerns abzuschliessen. Das gemeinsame Essen nach der Abdankung sei dann die Brücke zurück in den Alltag.
Die Gedenkfeier muss warten
Auch wenn ein Teil der Rituale nun wegfällt, plädiert Trauerbegleiterin Barbara Lehner dafür, das Begräbnis nicht zu verschieben. «Sie laden sich damit eine Pendenz auf», sagt sie. Und wer die Urne mit nach Hause nehme, riskiere eine Vermischung der Welten von Lebenden und Toten.
Barbara Lehner rät deshalb: «Beerdigen Sie Ihre Liebsten jetzt und machen Sie später eine Gedenkfeier.» So sei die Rückkehr in den Alltag möglich – und die Verstorbenen könnten trotzdem erinnert und geehrt werden.