«Ich wusste wie immer nicht, was mich erwartet. Deshalb war ich umso erleichterter, dass wir kein Krisenszenario simulieren sollten. Wir waren ein paar 100 Meter vom nächsten Bauernhof weg und da in einem Survival-Training. Überleben zu spielen, hätte ich – in Anbetracht realer Krisen wie dem Ukrainekrieg – als zynisch empfunden.
Die Journalisten-Brille
Am Anfang gab es eine Runde, in der alle gesagt haben, was sie lernen, welches Erlebnis sie mit nach Hause bringen möchten. Ich kam am Schluss dran und habe gesagt: ‹Ich interessiere mich am meisten für euch, für die Menschen und nicht unbedingt für die Natur.› Das hat sich schnell geändert.
Du kannst nicht als Reporterin zuschauen, sondern musst dir zuerst deine Hütte bauen, sonst haben alle anderen eine und du hast keine. Also habe ich wie die anderen überlegt: Wo ist der beste Ort, um sich so ein Shelter – eine Hütte – zu bauen? Die Journalisten-Brille hatte ich eine halbe Stunde an, danach musste ich sie mir immer wieder zurückholen.
Zwei Herangehensweisen
Interessant war für mich, dass es beim Bauen zwei Herangehensweisen gab. Die einen haben einen Plan gemacht und durchgezogen. Die andern haben sich zuerst umgeschaut: Wer kann etwas, was mir nützt? Kann ich anderen helfen?
Meine wichtigste Erkenntnis: Überleben beginnt mit Kooperation.
So haben häufig mehrere gemeinsam gebaut. Das hält einem den Spiegel vor, wie man selber funktioniert. Das Gefühl ‹ich muss es alleine schaffen!› kenne ich selber gut.
Man durfte gewisse Dinge ins Survival-Training mitnehmen. Manche hatten grosse Säcke dabei. Damit haben sie Laub gesammelt, um das Shelter zu decken. Die haben sich gegenseitig geholfen und waren viel schneller als die Einzelmasken, die mit blossen Händen tausendmal laufen mussten.
Das Miteinander suchen
Die wichtigste Erkenntnis für mich war: Überleben beginnt mit Kooperation. Das ist die Grundlage unserer Zivilisation, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten das Miteinander suchen.
In der Essenz geht es beim Survival-Training darum, zu fokussieren: Was ist im Moment wirklich wichtig? Für alles andere bleibt keine Energie.
Die Nahrungssuche war für mich sinnstiftend wie kaum etwas. Oder wenn es saukalt ist und du dann in der Gruppe ein Feuer ankriegst und alle sitzen drumherum. Dann lebst du ganz im Moment. Ein Gefühl, das heutzutage viele suchen, in der ‹Achtsamkeit› zum Beispiel oder auch im Minimalismus.
Der Rhythmus der Nacht
Erstaunlich war für mich, wie schnell man eintaucht in den Rhythmus der Natur. Sobald es dunkel ist, musst du Pause machen.
Ein Wald ist ein System, das nur als Gesamtheit funktioniert.
Als ich am ersten Morgen in meinem selbstgebauten Shelter, ohne Luxus, sogar ohne Essen, von den Vögeln und vom Licht geweckt wurde, war das ein unglaubliches Glücksgefühl.
Die Natur macht’s vor
Die Kreisläufe in der Natur interessieren mich schon lange. Mein Garten ist naturnah und wild. Gerade habe ich das wunderbare Buch ‹Die Weisheit der Wälder› von Suzanne Simard gelesen, einer Forstwissenschafterin aus Kanada.
Sie hat nachgewiesen, dass Bäume untereinander kommunizieren und dass ‹Mutter-Bäume› ihre ‹Nachkommen› mit Nährstoffen unterstützen. Für Simard besteht ein Wald nicht aus konkurrenzierenden Bäumen, so die herkömmliche Meinung, sondern ein Wald ist ein System, das nur als Gesamtheit funktioniert und überlebt.
Die Natur macht uns vor, wie es geht. Wir sind ein Teil von ihr.»