Vor der Kulisse des Elburs-Gebirges breitet sich die iranische Hauptstadt aus. Auf den Bergen liegt Schnee. Zehn Millionen Menschen leben heute in Teheran.
Die Stadt wächst und wächst. Werkstätten und kleine Geschäfte beleben den ärmeren Süden. Im Norden dominieren Villen und Shops für westliche Mode und Autos.
Über allem wachen mit strengen Blicken die Religionsführer des Landes: Ruhollah Chomeini, der vor 40 Jahren die islamische Republik Iran ausrief, und sein Nachfolger Ali Khamenei. Ihre Porträts prangen überall auf Plakatwänden und hängen an ziemlich jedem öffentlichen Gebäude der Stadt.
Eine Gesellschaft in Bewegung
Teheran ist das Zentrum von Macht und Tradition im Iran. Aber gleichzeitig hat sich hier durch die Hintertür die Modernisierung eingeschlichen. Es ist eine Kunstszene entstanden, die versucht, die traditionelle und moderne Welt zu verbinden.
Im wohlhabenden Botschaftsviertel liegen über hundert Ateliers, Galerien und das Art Center, eine Ausstellungs- und Eventgalerie. Hier stellt die 53-jährige Künstlerin Nooshin Fouroutan ihre Bilder aus.
Sie erlebt einen Sinneswandel vor allem bei der jüngeren Generation: «Junge Paare dachten früher beim Schmuck für ihre erste Wohnung zuerst an einen Teppich. Heute kaufen sie sich ein Bild.»
Mehr Vielfalt im Kulturbetrieb
Fouroutan erlebte die politischen Hardliner im Iran und die Zeit der Reformen. Heute, unter dem moderaten Präsidenten Hassan Rohani, habe die Vielfalt im Kulturbetrieb zugenommen. Es gebe immer noch staatliche Kontrolle, die Kulturszene sei deshalb aber nicht unpolitisch.
Der Künstlerin ist es wichtig, mit Vorurteilen im Westen aufzuräumen. Zum Beispiel, wenn es heisst: Das Volk stehe ständig unter der Knute des Regimes. «Gerade die Kunst hat sich Freiräume erobert – und schafft dadurch immer neue».
Kein Leichtes, Künstler im Iran zu sein
Das «Iranian Artists Forum» liegt im Zentrum Teherans und war früher eine Militärbaracke. Heute finden in den Räumen Workshops und Ausstellungen statt. Fast jeden Abend gibt es Aufführungen, zu denen sich ein buntes Publikum trifft. Eine junge, gebildete Mittelschicht, die gierig Neues in sich aufsaugt.
Im Kunstforum tritt Yaser Khaseb auf. Er sagt: «Es ist schwer, Künstler im Iran zu sein. «Man muss kämpfen, glauben an das, was man tut.» Khaseb macht Körpertheater.
Seine Performance «Mud» ist ein einstündiger Parforce-Ritt im Matsch. Khaseb stellt die Menschwerdung aus der Urmaterie dar und den Kampf ums Überleben. Es wird gestöhnt und geächzt, aber kein Wort gesprochen, ein Akt höchster Körperbeherrschung.
Iraner seien es gewohnt, sich über die Sprache auszudrücken, erzählt Khaseb. Er aber habe keinen Text. Trotzdem folgt das junge Publikum gebannt seiner Aufführung.
Anders die Behörden, die seine Performance genehmigen mussten. «Die verstanden anfangs nicht, was ich mache.» Dann habe man die Aufführung schliesslich doch bewilligt.
Ein Land mit viel Hochkultur
Der Iran ist eine Hochkultur-Nation seit Jahrtausenden. Dichtung und Musik sind allgegenwärtig. Altpersische Poeten wie Ferdosi, Saadi und Hafis werden im Fernsehen und Radio vorgetragen. Aktuelle iranische Popgrössen verwenden sie als Songtexte.
Die Tabiat-Brücke, ein mit Preisen ausgezeichnetes Meisterwerk, wurde von einer 26-jährigen Architektin erdacht. Die Valiasr-Strasse, die längste im Mittleren Osten, wird nicht nur von tausenden Platanen, sondern auch von Kunstinstallationen gesäumt.
Es gibt Parks, in denen Teenager, Mädchen und Jungs, zusammen Sport treiben, in denen Verliebte schüchtern Händchen halten, junge Frauen, deren obligatorischer Tschador weit auf den Hinterkopf rutscht, und Familien, die vom Alltag abschalten und picknicken.
Es herrscht eine Stimmung, die beinahe an westliche Grossstädte erinnert. Aber man darf sich nicht täuschen lassen.
Was darf man?
Was geht und was nicht im Iran, ist hingegen schwer zu durchschauen. Prominente Literaten und Filmemacher werden geächtet, andere geduldet. Im Radio wird westliche Musik nur instrumental gespielt. Das Fernsehen ist stramm linientreu.
Aber es gibt junge Strassenmusiker im Zentrum Teherans, die unbehelligt Popmusik spielen, auf Englisch singen und Zuhörer um sich versammeln. Frauen tragen dort Make-up und körperbetontes Outfit.
Auf dem Weg zur Unabhängigkeit
Der Hijab, im Westen das Schlüsselsymbol für die Unterdrückung der Iranerinnen, ist für viele Frauen im Land wenig mehr als lästig. Sie wollen Karriere machen, eine bezahlbare Wohnung finden, mit Freundin oder Freund zusammenleben.
Ähnlich wie in Ländern Europas sind viele junge Leute wegen des geringen Einkommens gezwungen, weiterhin bei ihren Eltern zu wohnen: Es fehlt vor allem am Geld, um in Teheran ein eigenes, ein unabhängiges Leben zu führen.
Ungewisse Zukunft
Seit die USA das Embargo 2018 wieder in Kraft gesetzt haben, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage beträchtlich, explodieren die Preise, werden Konsumgüter knapp. Darunter leiden alle Bürger des Iran, vor allem im urbanen Teheran.
Das Land sieht deshalb einer ungewissen Zukunft entgegen. Der Traum von einem freieren Leben in Iran, den vor allem die jüngere Generation hegt, wird sich so schnell nicht erfüllen.