Wenn Glauben auf Wissenschaft trifft, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Wer Islamische Theologie studiert, muss sich auch mit der eigenen Religion auseinandersetzen. Das fällt nicht allen leicht, weiss der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster Mouhanad Khorchide. Die meisten Studienanfänger würden sich mit Studienbeginn das erste Mal kritisch mit dem Islam auseinandersetzen. Was sie bis anhin nicht angezweifelt hätten, so der Professor für islamische Religionspädagogik, würde im Studium hinterfragt und diskutiert. Wer sich auf diese Debatten einlasse, erweitere seinen Horizont.
Grosser Andrang
Was als schüchterner Versuch begann, entwickelte sich zu einem Magneten. In Münster startete das Zentrum für Islamische Theologie mit 3 Mitarbeitern und 13 Studenten. Heute, nur drei Jahre später, beschäftigt es 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bietet 650 Studierenden einen Studienplatz. Insgesamt sind an den vier bundesweiten Zentren rund 1500 Studierende eingeschrieben, Tendenz steigend. Bewerbungen gebe es noch viel mehr, betont Mouhanad Khorchide. Viele würden aber am Numerus clausus scheitern.
Mangel an qualifizierten Professoren
Islamische Theologie ist ein vollwertiges Studium, mit hohen Anforderungen sowohl für Studierende als auch für Lehrende. Es sei nach wie vor schwierig, so Mouhanad Khorchide, geeignete Professorinnen oder Professoren zu finden. Denn diese müssten nicht nur in ihrem Fach top qualifiziert sein, sondern auch die Deutsche Sprache beherrschen. Viele ausländische Wissenschaftler würden aber nur Türkisch, Persisch oder Arabisch sprechen.
Gute Berufsaussichten
Die ersten Studierenden schliessen diesen Sommer in Münster ihr Bachelorstudium ab. Wer sich für den Lehrerberuf entscheidet, hat gute Berufsaussichten. Islamischer Religionsunterricht an Schulen wird in immer mehr Bundesländern angeboten, weshalb in den nächsten Jahren zwei- bis dreitausend Pädagoginnen und Pädagogen in Islamischer Theologie an Schulen benötigt werden.
Imame hingegen, so glaubt der Leiter des Zentrums in Münster, Mouhanad Khorchide, würden die wenigsten Studienabgänger werden. Die Arbeit in muslimischen Gemeinden sei für Wissenschaftler nicht besonders attraktiv.
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Überhöhte Erwartungen
Die Erwartungen an die vier deutschen Zentren für Islamische Theologie sind enorm. Politikerinnen und Politiker wünschen sich Vorzeige-Imame, in den Medien wird jeder Schritt kommentiert und beurteilt. So schnell lasse sich aber dieser Fachbereich nicht aufbauen, betont Bülent Ucar, Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück.
Nach wie vor seien Vorbehalte gegenüber diesem Studium zu hören – und zwar von nicht-muslimischer wie auch von muslimischer Seite. Dabei ist Bülent Ucar überzeugt: Man müsse der Islamischen Theologie viel mehr Zeit geben, bis sie sich verfestigt im wissenschaftlichen System.
Schweiz hinkt hinterher
Was in Deutschland seit drei Jahren erfolgreich praktiziert wird, ist in der Schweiz noch stark umstritten. Zwar hat das Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg im Januar dieses Jahres seinen Betrieb mit minimaler Besetzung aufgenommen. Das Islamzentrum soll ein Ort des Dialogs werden, das von katholischer wie auch protestantischer Seite unterstützt wird.
Gleichzeitig kündete die SVP jedoch eine Initiative an, die das Zentrum in Freiburg wieder abschaffen soll. Am Ende wird das Volk entscheiden müssen, ob islamische Studien an Schweizer Universitäten einen Platz erhalten. Unterdessen bilden deutsche sowie österreichische Universitäten Islamische Theologinnen und Theologen aus. Denn in beiden Ländern sind die politisch Verantwortlichen davon überzeugt, dass der Islam zu Europa gehört.